Nach Aufstand der Wagner-Söldner: Putins Schergen in Afrika

Russlands Außenminister kündigt an, dass die Wagner-Söldner weiter in Afrika operieren. Welche Folgen hat der Aufstand für ihre Stationierungen?

4 bewaffnete maskierte Soldaten auf einer Strasse

Russische Söldner in Mali Foto: Französisches Militär via ap

BERLIN taz | In Afrika sind über 5.000 Wagner-Söldner stationiert, die meisten in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) und in Mali sowie in Libyen. Ihre offizielle Aufgabe, so die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den jeweiligen afrikanischen Regierungen und Moskau. Im Interview mit dem Staatssender Russia Today (RT) sagte Russlands Außenminister Sergei Lawrow, dass Wagner-Angehörige dort „als Ausbilder tätig“ seien und dass ihre Arbeit „natürlich weitergehen“ werde. Zahlreiche „ausländischen Partner“ hätten nach der gescheiterten Rebellion von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin Russlands Präsidenten Wladimir Putin angerufen und „ihre Unterstützung versichert“.

Der malische Politikanalyst Bassirou Doumbia ist da jedoch anderer Meinung, denn die Wagner-Einheiten in Mali würden vom Kreml finanziert, sagt Doumbia. „Wenn Wagner mit dem Kreml uneins ist, wird Mali auch unter den Konsequenzen an der Sicherheitsfront leiden“, erklärte er in einem Interview mit dem TV-Sender Al Jazeera.

Lange Zeit hat der Kreml jegliche direkte Verbindung mit Wagner eisern abgestritten. Jetzt hat Russlands Präsident Wladimir Putin in seiner Rede ein Geheimnis gelüftet: Nämlich, dass der russische Staat bislang die Wagner-Truppen „vollständig finanziert“ hat. Allein von Mai 2022 bis Mai 2023 seien dafür rund 1 Milliarde Dollar ausgegeben worden, sagte Putin. Dies ist für alle Wagner-Söldner eine klare Ansage: Wenn sie weiter ihr gutes Gehalt bekommen wollen, manche sprechen von rund 2.000 Euro umgerechnet im Monat, dann wissen sie ja jetzt Bescheid, wer der Geldgeber wirklich ist.

Diese Information spielt eine entscheidende Rolle, denn Putin hat auch verlauten lassen, dass er die mächtigen russischen Privatarmeen umstrukturieren, ja eventuell ganz zerschlagen will. Laut russischer Verfassung sind private Sicherheitsfirmen nicht erlaubt. Wagner und andere Söldnerfirmen dieser Art operierten bislang also außerhalb des geltenden Rechts, quasi nach Gunst des Kremls, der die schützende Hand über Wagner hielt. Damit ist es jetzt vorbei – Präsident Putin hat Wagner eine Frist gesetzt: Bis zum 1. Juli sollen sich die Wagner-Kämpfer, die sich derzeit in Russland und der Ukraine aufhalten, entscheiden: entweder sich als reguläre Soldaten in die Armee integrieren – oder mit Prigoschin nach Belarus auswandern.

Keine Bedrohung für den weit entfernten Kreml

Welche konkreten Auswirkungen dies für die Stationierung von Wagner-Kämpfern in Afrika nun haben wird, steht bislang nicht fest. Denn ob auch sie vom Kreml bezahlt werden, dazu wurden keine konkreten Angaben gemacht.

Bekannt ist: Die Regierungen in der ZAR und Mali haben keine direkten Verträge mit Wagner, sondern jeweils ein Partnerschaftsabkommen mit dem russischen Verteidigungsministerium abgeschlossen. Zunächst waren in der ZAR von 2014 an russische „Ausbilder“, wie sie im Abkommen genannt werden, des russischen Militärnachrichtendienstes GRU sta­tio­niert, die dann allmählich von Wagner-Leuten abgelöst wurden – eventuell ein Outsourcing-Programm, um Kapazitäten freizubekommen. „Diese Verträge werden sich nun nicht ändern“, sagt Pauline Bax, die bei der NGO International Crisis Group für Afrika zuständig ist. „Selbst wenn Wagner verschwindet, bleibt die Loyalität (der afrikanischen Regierungen) gegenüber Russland bestehen“, betont sie.

Die Wagner-Truppen in Afrika stellen keine Bedrohung für den weit entfernten Kreml dar, meint Bax. Im Gegenteil: „Wagner war im Kontinent für den Kreml sogar sehr nützlich.“ Die Wagner-Angestellten sind bislang mit verschiedenen Aufgaben vertraut worden: Sie beschützen als Leibwächter etwa den Präsidenten der ZAR, Faustin Touadera, trainieren als Ausbilder die nationale Armee, stellen aber auch selbst eigene Kampfeinheiten auf, die aktiv gegen Rebellen vorgehen.

Die meisten in Afrika sta­tio­nier­ten Wagner-Kämpfer und Offiziere seien keine ehemaligen Gefangene, sondern ehemalige Soldaten der russischen Armee, sagt Oleg Ignatow, Analyst der International Crisis Group für Russland. „Es wird für sie nicht schwierig sein, den Anordnungen des Verteidigungsministeriums nachzukommen und wieder Teil des Verteidigungsministeriums zu sein.“

Zahlreiche lokale Tochterunternehmen

Doch einfach integrieren lassen sie sich nicht. Die Wagner-Leute operieren unter einem ausgeklügelten Firmennetzwerk, das von Moskau aus in Afrika selbst nicht einfach zu zerschlagen ist. In den vergangenen Jahren haben Mutterfirmen aus Prigoschins Sankt Petersburger Firmenimperium in der ZAR zahlreiche lokale Tochterunternehmen registriert, unter deren Deckmantel die Wagner-Kämpfer angeheuert sind. Officers Union for International Security (OUIS) sowie die Logistique Économique Étrangère (LEE) sind beispielsweise für Logistik zuständig. OUIS importiert russisches Kriegsgerät wie Kampfhubschrauber aus Moskau, LEE fliegt Maschinen und Baumaterialien ein, um Bergbaubetriebe aufzubauen. Eine Holzfirma, Bois Rouge, verfügt über eine Holzexportlizenz.

Gesteuert werden all diese Firmen von einem Wagner-Offizier, der als persönlicher Berater von Zentralafrikas Präsident dient. Zunächst war dies Valery Zakharov, ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter des FSB. Er wurde Ende 2021 von Vitali Perfilev und Dmitri Sytii abgelöst. Sytii ist registrierter Chef einiger der russischen Tochterfirmen in Bangui sowie Direktor des russischen Kulturzentrums Maison Russe, das vor allem für Propaganda zuständig ist. Zuvor war er für Prigoschins Troll-Factory Internet Research Agency tätig. Sie wurden Anfang 2023 von der Europäischen Union sanktioniert, wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverbrechen in der ZAR.

Laut Sorcha MacLeod, Mitglied der UN-Expertengruppe zu Söldnern in Konfliktregionen, haben zahlreiche dieser Tochterfirmen im konfliktreichen Norden Abbaukonzessionen für Gold- und Diamantenminen erhalten, sowie Exportlizenzen, worüber sie Profite einfahren. Es ist zu vermuten, dass aus diesen Einnahmen die Wagner-Kämpfer bezahlt werden. Laut dem jüngst von The Sentry herausgegeben Bericht zu Wagner in der ZAR mit dem eingängigen Titel „Architekten des Terrors“ agieren diese Firmen meist Hand in Hand.

Sie sind mittlerweile auch wirtschaftlich eine gewaltige Größe in dem kleinen Land. Als die ersten Wagner-Kämpfer 2014 in die ZAR einrückten, waren 80 Prozent des Landes unter Kontrolle von Rebellen, vor allem die Minen im Norden. Mittlerweile hat Wagner laut dem Sentry-Bericht praktisch das Monopol über die Minen des Landes. Allerdings hat keine dieser Firmen bei zentralafrikanischen Behörden je offiziell Minera­lien­exporte deklariert. Wie viel Geld also zurück nach Russland floss und in wessen Kassen genau, ist unbekannt.

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