+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Nato stellt Militärpläne um

Wegen des Ukraine-Krieges überarbeitet die Nato ihre militärische Planung. Kurz vor dem Gipfel in Vilnius gewährt das Bündnis erstmals einen Einblick.

Soldaten kletttern im Wald aus Armeefahrzeugen

Nato-Übung im Febraur 2023 in Litauen Foto: Robin van Lonkhuijsen/imago

Ukraine meldet weitere Rückeroberungen

Rund einen Monat nach Beginn ihrer Gegenoffensive erobert die Ukraine eigenen Angaben zufolge nach und nach Gebiete von den russischen Streitkräften zurück. Trotz des russischen Widerstands vor allem in der Ostukraine sprach Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag von „Fortschritten“. Unterdessen meldete Moskau, der russische Geheimdienst habe einen ukrainischen Anschlag auf den Chef der von Russland annektierten Halbinsel Krim vereitelt.

„Die letzte Woche war schwierig, aber wir machen Fortschritte. Wir kommen Schritt für Schritt voran“, schrieb Selenskyj im Onlinedienst Telegram. In der vergangenen Woche erzielte die ukrainische Armee laut der Regierung in Kiew Geländegewinne von 37 Quadratkilometern.

Im Süden des Landes gab es der ukrainischen Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar zufolge Erfolge entlang der Front nahe Melitopol und Berdjansk. Dort hätten die ukrainischen Streitkräfte 28,4 Quadratkilometer zurückerobert, sagte sie. Im Osten der Ukraine beliefen sich die Geländegewinne Kiews auf neun Quadratkilometer. (afp)

Russland: Anschlag vereitelt

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte am Montag, die Ukraine habe „auf keiner Achse ihre Ziele erreicht“. Zum ersten Mal äußerte sich Schoigu auch zum Aufstand der Söldnergruppe Wagner vor rund einer Woche in Russland. Dieser sei gescheitert, „weil sich die Mitglieder der bewaffneten russischen Kräfte loyal verhalten haben“, erklärte Schoigu. Überdies habe die abgebrochene Rebellion keinen Einfluss auf die „Operationen der Truppen“ in der Ukraine, sagte der Verteidigungsminister.

Derweil hieß es in Moskau, der russische Geheimdienst FSB habe einen ukrainischen Anschlag auf den Chef der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim, Sergej Aksjonow, vereitelt. Laut FSB wurde ein 1988 geborener Russe festgenommen, der versucht haben soll, eine Bombe in Aksjonows Auto zu deponieren. Dem Mann wird vorgeworfen, vom ukrainischen Inlandsgeheimdienst SBU rekrutiert und ausgebildet worden zu sein.

Im Onlinedienst Telegram dankte Aksjonow dem FSB für die Verhinderung des Attentats. „Ich bin mir sicher, dass die Urheber dieses Verbrechens gefunden und bestraft werden“, sagte er.

Moskau wirft Kiew vor, seit Beginn des russischen Invasion mehrere Attentate auf Verantwortliche der russischen Besatzung verübt zu haben. Russland hatte die Krim im Jahr 2014 annektiert. Die Halbinsel im Süden der Ukraine dient den russischen Streitkräften als wichtige logistische Basis. (afp)

Selenskyj: Putin hat nicht alles unter Kontrolle

Die massive Präsenz der russischen Armee in der Ukraine – statt in den Kasernen in der Heimat – hat nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Blitzrevolte der Wagner-Truppe in Russland ermöglicht. „Putin hat die Sicherheitslage nicht unter Kontrolle“, sagte Selenskyj dem US-Sender CNN mit Blick auf den russischen Staatschef. „Wir wissen alle, dass seine gesamte Armee in der Ukraine ist, fast die gesamte Armee ist dort. Deshalb war es für die Wagner-Truppen so einfach, durch Russland zu marschieren. Wer hätte sie aufhalten können?“

Die Reaktion des Kremlchefs auf den Aufstand der von Jewgeni Prigoschin angeführten Privatarmee Wagner vor gut einer Woche bewertete Selenskyj als „schwach“. Die Rebellion habe gezeigt, dass Putin nicht alles kontrolliere. Die Vertikale der Macht – das System, in dem sich alles dem Kreml unterordnet – zerfalle, sagte Selenskyj. CNN führte das Interview nach eigenen Angaben am Sonntag und veröffentlichte am Montag einen Ausschnitt. Es soll in voller Länge in der Nacht auf Donnerstag deutscher Zeit ausgestrahlt werden. (dpa)

EU erwägt Zugeständnisse an russische Bank

Im Ringen um eine Verlängerung des Getreide-Abkommens erwägt die Europäische Union (EU) einem Zeitungsbericht zufolge Zugeständnisse an Russland. Demnach könnte der mit Sanktionen belegten Landwirtschaftsbank (Rosselchosbank) erlaubt werden, eine neue Tochtergesellschaft zu gründen und sich über diese wieder an das weltweite Finanzsystem anzuschließen. Das berichtete die „Financial Times“ am Montag unter Berufung auf Insider. Russland hatte die Wiederaufnahme der Bank in das internationale Zahlungssystem Swift als eine seiner Bedingungen für eine erneute Verlängerung des Getreide-Deals genannt. (rtr)

Eierwürfe bei Baerbock-Besuch in Eisenhüttenstadt

Beim Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Eisenhüttenstadt hat es Proteste gegeben – bis hin zu Eierwürfen. Rund 30 Menschen wandten sich am Montag vor einer Schule gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und demonstrierten für Frieden. Ein Unbekannter, der nach Angaben eines Polizeisprechers nicht zu der Gruppe gehörte, warf demnach zwei Eier auf die Gesamtschule. Dort sprach Baerbock als Brandenburger Grünen-Bundestagsabgeordnete mit Schülerinnen und Schülern der Klassen 11 bis 13. Der Polizei zufolge wird wegen versuchter Sachbeschädigung ermittelt. (dpa)

Russische Besatzer: Brücke zur Krim repariert

Nach nur eineinhalb Wochen haben die russischen Besatzer eine durch ukrainischen Raketenbeschuss beschädigte Brücke bei Tschonhar zur Halbinsel Krim eigenen Angaben zufolge wieder repariert. Der „kürzeste und bequemste Transportkorridor“ zur Krim funktioniere wieder wie gehabt, teilte der von Moskau eingesetzte Regierungschef des besetzten Teils des südukrainischen Gebiets Cherson, Andrej Alexejenko, am Montag bei Telegram mit. Der Eintrag wurde wenig später gelöscht. Russische Medien verwiesen jedoch weiterhin auf Alexejenkos Aussage. Einer der Sprecher der vom Kreml eingesetzten Verwaltung im Gebiet Saporischschja, Wladimir Rogow, veröffentlichte Montagmittag zudem ein Video, das den laufenden Verkehr auf der Brücke zeigen soll. (dpa)

Krieg bringt Rüstungskonzern Diehl Milliardenaufträge

Der Boom in der Rüstungsindustrie und in der Luftfahrt soll dem Nürnberger Technologiekonzern Diehl langfristig auf die Sprünge helfen. „Wir rechnen mit einem dynamischen Wachstum, auch in den nächsten Jahren“, sagte Vorstandssprecher Klaus Richter am Montag in Nürnberg. Das zeigt sich im Auftragseingang, der sich im vergangenen Jahr auf 7,5 (2021: 3,4) Milliarden Euro mehr als verdoppelt hat. Ein großer Teil davon geht auf das Konto der Rüstungssparte Defence, wo Diehl Lenkwaffen wie die in der Ukraine eingesetzten IRIS-T-Lenkflugkörper zur Flugabwehr, aber auch Aufklärungsdrohnen und Munition produziert. (rtr)

Mehr als 6.000 ukrainische Schüler in Brandenburg

In Brandenburgs Schulen wurden Ende Juni mehr als 6.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine unterrichtet. Davon hätten 5.740 Mädchen und Jungen öffentliche Schulen und weitere 310 Kinder und Jugendliche Schulen in freier Trägerschaft besucht, teilte das Bildungsministerium am Montag in Potsdam mit. Alle Schüler würden in der Regel bei der Aufnahme in der Schule einer Regelklasse zugeordnet. Dies geschehe unabhängig davon, ob sie zusätzliche Förderung in Deutsch als Zweitsprache erhalten.

Von den insgesamt 6.050 ukrainischen Schülerinnen und Schülern in Brandenburg hätten Ende Juni 3.327 Grundschulen, 1.272 Oberschulen, 478 Gesamtschulen, 568 Gymnasien, 66 Förderschulen und 339 berufliche Schulen besucht, hieß es. Durch die staatlichen Schulämter seien zudem bislang 236 Personen eingestellt worden, die die Schulen als Lehrkraft oder pädagogisches Personal unterstützen. Dabei handle es sich vorrangig um aus der Ukraine geflohene Fachkräfte. (epd)

Neue Nato-Militärpläne vorgestellt

Der Vorsitzende des Nato-Militärausschusses hat Einblick in die Pläne des Militärbündnisses für den Fall gegeben, dass Russland den mit der Invasion in die Ukraine begonnenen Konflikt ausweiten sollte. Die russischen Streitkräfte seien zwar vom Kampf gezeichnet, aber keinesfalls geschlagen, beschrieb Admiral Rob Bauer die Lage am Montag. „Wir sollten also niemals die Russen und ihre Fähigkeit, wieder auf die Beine zu kommen, unterschätzen.“

Die Nato nimmt wegen des Kriegs in der Ukraine die größte Überarbeitung ihrer militärischen Pläne seit Ende des Kalten Krieges vor. Die Nato-Partner bereiten sich darauf vor, bei ihrem Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius in der kommenden Woche die grundlegende Umgestaltung ihres Planungssystems voranzutreiben.

Unter ihren neuen Plänen will die Nato bis zu 300 000 Soldaten in Bereitschaft wissen, die binnen 30 Tagen an die Ostflanke des Bündnisses verlegt werden können. Das Nato-Territorium soll in drei Zonen unterteilt werden: den hohen Norden und das Atlantik-Gebiet, eine Zone nördlich der Alpen und eine weitere im Süden Europas.

Bauer sagte, der Krieg in der Ukraine habe das russische Heer geschwächt, aber nicht die Luftwaffe. „Von Russlands Bodentruppen sind rund 94 Prozent jetzt in der Ukraine im Einsatz“, sagte Bauer. „Was wir generell sehen, ist, dass die Russen im Bezug auf die Nato vorsichtig sind. Sie suchen keinen Konflikt mit der Nato. Ich denke, das ist ein Zeichen, dass sie sehr, sehr beschäftigt sind.“ Er glaube, dass Russland an Land nicht über ausreichend Soldaten verfüge, „um irgendjemand anderem irgendetwas zu tun.“ Man sei jedoch überzeugt, dass sich die Russen mittelfristig neu formierten. „Wir werden sie weiterhin als ernste Bedrohung betrachten“, erklärte er. (ap)

Ukrainische Autorin stirbt nach Angriff auf Café

Die Schriftstellerin Victoria Amelina ist an den Verletzungen verstorben, die sie bei einem russischen Raketenangriff auf ein Café im ostukrainischen Kramatorsk in der vergangenen Woche erlitten hatte. Das teilte der ukrainische Schriftstellerverband PEN am Sonntag mit. Damit ist die Zahl der Todesopfer, die der Angriff auf Kramatorsk gefordert hat, auf 13 gestiegen.

Kurz vor dem Raketeneinschlag hatte sich Amelina in dem Café mit drei Vertretern einer kolumbianischen NGO getroffen, die bei dem Angriff leichte Verletzungen erlitten. Die 37-jährige Ukrainerin wurde hingegen mit schweren Schädelverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert, wo sie am Wochenende verstarb.

Nach Angaben ihrer PEN-Kollegen war Amelina nicht nur Autorin, sondern auch aktive Bürgerrechtlerin. Seit Jahren setzte sie sich für die Freilassung ukrainischer politischer Gefangener in Russland ein und dokumentierte seit 2022 mit der Nichtregierungsorganisation „Truth hounds“ Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße. Ihr erstes englischsprachiges Sachbuch „War and Justice Diary: Looking at Women Looking at War“ (auf Deutsch in etwa: „Tagebuch des Kriegs und der Gerechtigkeit: Blick auf Frauen, die den Krieg ansehen“) soll demnächst veröffentlicht werden und behandelt ukrainische Frauen, die Kriegsverbrechen und ihr eigenes Leben während des Krieges dokumentieren. (dpa)

Medwedew: Ukraine-Konflikt könnte dauerhaft werden

Der russische Spitzenpolitiker Dmitri Medwedew sagt, die Konfrontation mit dem Westen könnte Jahrzehnte anhalten und der Konflikt mit der Ukraine zu einem Dauerzustand werden. Russland sei nach wie vor entschlossen, einen Nato-Beitritt der Ukraine zu verhindern, schreibt der Vize-Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates in der amtlichen Zeitung „Rossijskaja Gaseta“. Der Konflikt mit der Ukraine könne „dauerhaft“ werden, da er für Russland existenziell sei, fügte der Ex-Präsident angesichts der Nato-Regel hinzu, keine in Territorialkonflikte verwickelte Länder aufzunehmen. Zugleich redet er erneut über einen möglichen Atomkrieg. Die Spannungen zwischen Russland und dem Westen seien viel größer als während der Kuba-Krise 1962. Ein Atom-Krieg sei nicht nur möglich sondern durchaus wahrscheinlich, werde aber wohl keine Gewinner haben. Der einzige Weg zur Deeskalation zwischen Russland und dem Westen seien harte Verhandlungen. Westliche Beobachter sehen in Medwedews wiederholtem „atomaren Säbelrasseln“ eine Taktik, um die Verbündeten der Ukraine einzuschüchtern. (rtr)

Ungarn will Ausnahmeregelung

Ungarn will die Europäische Union um eine einjährige Verlängerung der Ausnahmeregelung von den Öl-Sanktionen gegen Russland bitten. Der ungarische Energiekonzern MOL benötige mehr Zeit, um die Investitionen in seiner slowakischen Raffinerie für eine Umstellung auf Alternativen zu russischem Öl abzuschließen, erklärt Außenminister Peter Szijjarto nach einem Treffen mit seinem slowakischen Amtskollegen Ivan Korcok. (rtr)

Kuba lädt Putin ein

Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach offiziellen Angaben eine Einladung der kommunistischen Führung in Kuba vorliegen. Es sei aber noch zu früh, um über die Vorbereitungen für eine solche Reise zu sprechen, sagt der russische Botschafter in Kuba, Viktor Koronelli, der staatlichen Nachrichtenagentur RIA. Zumal der kubanische Präsident Miguel Diaz-Canel erst im November Putin in Moskau besucht habe. Kuba hat die Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs verurteilt. Die langjährigen Verbündeten haben ihre Wirtschaftsbeziehungen ausgebaut, auch um US-Sanktionen gegen beide Seiten abzumildern. Das unweit des US-Bundesstaats Florida liegende Kuba ist ein beliebtes Ziel von Urlaubern aus Russland. In diesem Jahr besuchten bereits 66.000 russische Touristen den karibischen Inselstaat. (rtr)

Moskau: Ukrainische Kinder in Russland

Russland hat rund 700.000 Kinder aus den Konfliktgebieten in der Ukraine auf russisches Territorium gebracht. Dies teilte Grigori Karasin, Vorsitzender des internationalen Ausschusses des russischen Föderationsrates, in der Nacht zum Montag auf Telegram mit. Die Kinder, die vor Bomben und Beschuss in den Konfliktgebieten geflohen seien, hätten in Russland Zuflucht gefunden. Nach Angaben der Ukraine wurden 19.492 ukrainische Kinder illegal nach Russland deportiert. (rtr)

13 Kilometer Stau vor Brücke von Russland zur Krim

Trotz der angespannten Sicherheitslage zieht es russische Urlauber offenbar wieder in Massen auf die von Moskau besetzte ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Vor der Zufahrt zur Kertsch-Brücke, die die Krim mit dem russischen Festland verbindet, bildete sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax bis Montag von russischer Seite aus ein rund 13 Kilometer langer Stau. Rettungskräfte, Freiwillige und Verwaltungsangestellte verteilten Wasser an die in den Fahrzeugen wartenden Menschen, hieß es.

Die Halbinsel ist für Urlauber nur per Bahn oder Auto erreichbar. Wegen des Angriffskriegs, den Russland seit gut 16 Monaten gegen die Ukraine führt, ist der Flugverkehr eingestellt. Russland hatte die ukrainische Halbinsel schon 2014 völkerrechtswidrig annektiert. (dpa)

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