Serie „Florida Man“ bei Netflix: Meme mit Moral
Die Netflix-Serie „Florida Man“ spielt mit dem Bild des kriminellen, seltsamen Mannes, das schon seit „Miami Blues“ Popkultur prägt. Unterhaltsam!
Ein Mann hat Spielschulden und muss sie nun bei einem Gangster in Philadelphia abarbeiten. Als dessen Geliebte sich nach Florida absetzt, wird unser Mann beauftragt, sie zurück zu holen. Mindestens drei Dinge verschärfen die Sache: Erstens hat dieser Mike Valentine selbst eine zur Liebesgeschichte tendierende Affäre mit der Gangsterbraut Delly West; zweitens stammt er aus Florida und wollte nie zurück; drittens ist er ein Ex-Cop mit einer eifersüchtigen Ex-Frau, die noch aktive Polizistin ist– und die ermittelt gegen den Gangster. Und dann ist da plötzlich auch noch ein alter Piratenschatz im Spiel, den Alle haben wollen.
Schon diese Aufzählung zeigt: Die Mini-Serie „Florida Man“ (sieben Folgen, Netflix) leidet nicht an einem Mangel an sich verschlingenden Handlungssträngen; zudem die Inhaltsangabe und das aufzuzählende Personenregister sich noch beträchtlich erweitern ließen. Für eine Netflixserie überraschend ist dabei der Eindruck, hier habe bei der Endabnahme ein Redakteur des deutschen öffentlich—rechtlichen Rundfunks ein paar Worte mitgeredet.
So unorganisch nämlich wirken manche Nebenhandlungen, als ob da jemand gesagt hätte: „Müssen wir nicht Frau Maier und Herrn Müller auch noch was bieten, damit die Quoten stimmen, ich als Verantwortlicher keinen Ärger kriege und weiterhin meinen Immobilienkredit bedienen kann? Und überhaupt – ein bisserl eine Sozialkritik muss da schon auch noch rein, von wegen Bildungsauftrag und so.“
Und sowas geht eben wie immer, wenn auf eine Geschichte alles mögliche Gutgemeinte draufgesattlet werden soll, enorm schief.
„Florida Man“, sieben Folgen auf Netflix
Das Meme vom „Florida Man“
Bei einer solchen Kritik stehenzubleiben und damit von der Serie abzuraten, wäre aber verfehlt. „Florida Man“ hat prima Gags, mit Abbey Lee als Delly und Otmara Marrero als Mike Valentines Schwester Patsy zwei sehr starke Darstellerinnen. Anthony LaPaglia, der Mikes kriminellen Vater spielt, und der Grund ist, warum dieser den Sunshine State verlassen hat, ist immer ein paar Stunden vor der Glotze wert.
Der Begriff „Florida Man“ ist ein Meme, also ein Klischee in Text und/oder Bild, das sich dank Internet verbreitet und sprichwörtlich-kultig wird: dass vor allem Männer aus Florida wie Donald Trump seltsame, kriminelle, brutale Dinge tun und damit in die Medien geraten. Das ist allerdings nichts vollkommen Neues.
Florida erlangte bereits mit den Miami-Krimis des großen Pulpschriftstellers Charles Willeford und spätestens mit der Verfilmung seines Romans „Miami Blues“ (1990) den Ruf einer Gegend, in der vom Normalo bis zum Soziopathen alle nochmal das Allermieseste aus ihrem Charakter herausholen: Alec Baldwin und Jennifer Jason Leigh stehen dafür in „Miami Blues“ auf großartige Weise ein.
Von dieser Härte ist „Florida Man“ dann doch ein ganzes Stück entfernt. Das liegt nicht zuletzt und ohne ihm daraus einen Vorwurf machen zu können, am einfach zu knuddeligen Auftreten von Édgar Ramírez als Mike Valentine. Er ist der zwar spielsüchtige und geldgierige, aber sonst gute Junge, der ja eben auch alles dafür getan hat, kein „Florida Man“ wie sein Vater zu werden.
Wer es dunkler mag, sollte sich den ebenfalls „Florida Man“ (2015) betitelten Dokumentarfilm von Sean Dunne nicht entgehen lassen (hier und hier kostenlos zu sehen). Obdachlose, kranke Männer treten hier aus dem Schatten der schäbigen, heißen Nächte, sagen Wahrheiten, die nicht nur in Florida niemand hören will oder spenden sich mit der Bibel in der Hand Trost, weil sie buchstäblich nichts anderes mehr haben: „Why the hell are we here? It's got to be something else. This is a test, that's all this is. There must be another level.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!