CDU-Kehrtwende in Berlin: Durchkreuzte Fahrradträume

Reinickendorfs CDU-Verkehrsstadträtin hat den Radstreifen an der Ollenhauerstraße auf Eis gelegt. Die Deutsche Umwelthilfe will nun klagen.

Rot duchkreuztes Fahrradsymbol auf Straßenbelag

Erst gelb, dann rot – es ist ein kleiner Krieg der Kreuze Foto: Susanne Memarnia

BERLIN taz | Bevor die neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) viele der laufenden Planungen für Rad-Infrastruktur einfror, war die Ollenhauerstraße in Reinickendorf vielen Ber­li­ne­r*in­nen höchstens vom Namen her bekannt. Mittlerweile ist sie zum internationalen Symbol für ideologisierte Verkehrspolitik geworden. „Ein Wahnsinn, oder?“ fragt ein niederländischer TV-Reporter, der sich am Montag auf die rund 1,6 Kilometer lange Ausfallstraße begeben hat.

Seine ungläubigen Blicke wandern zwischen einem gelb durchkreuzten Fahrradsymbol und den auf der Nicht-Radspur parkenden Autos hin und her. Auf die Frage, was ihn daran interessiere, sagt er: „Wir in den Niederlanden sind ja sehr fahrradfreundlich. Da interessiert uns natürlich, wenn in der deutschen Hauptstadt mitten in der Klimakrise ein fertiger Radweg rückgängig gemacht wird.“

Und noch etwas wundert ihn: Er sei die ganze Straße abgefahren und habe nur durchgestrichene Symbole gesehen: „Was kostet daran eigentlich 280.000 Euro?“ So teuer war die Einrichtung des Radstreifens nach einer RBB-Recherche, rund 210.000 Euro kommen vom Bund. Tatsächlich drängt sich die Frage auf – zumal das Teilstück, um das nun gestritten wird, lediglich 600 Meter lang ist.

Hier wurde auf der vom Kurt-Schumacher-Platz nach Norden führenden Seite der alte Gehweg-Radweg – holprig, schmal, ein bisschen rote Farbe – ersetzt. Nach Süden, also stadteinwärts, sollte der neue Weg überhaupt erst eigenen Raum für Radfahrende schaffen. Beides geschah, indem Fahrradsymbole auf den unsanierten Asphalt der zum Parken genutzten rechten Fahrbahnen geklebt wurden – dazu einen durchgezogenen Streifen, der Autos das Queren verbietet. Beschlossen hatte das die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vor sieben Jahren.

Eigentlich nur ein Provisorium

Wie Jens Augner, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen in der BVV, der taz sagte, handelt es sich bei der Umgestaltung nur um ein Provisorium. Die grüne Stadträtin Korinna Stephan hatte es durchgesetzt, um kurzfristig mehr Sicherheit auf der viel befahrenen Straße zu schaffen. Richtig saniert wird die Ollenhauerstraße wohl frühestens Ende der 20er Jahre.

Augners Fraktion hat eine Anfrage an das Bezirksamt gestellt, die am Dienstag im Reinickendorfer Verkehrsausschuss beantwortet werden soll. Das ist dann der Job von Julia Schrod-Thiel (CDU), die das Verkehrsressort nach der Wiederholungswahl von Stephan übernahm. Dass sie die Radsymbole überkleben ließ und die für den 14. Juni geplante Radstreifen-Einweihung aussetzte, macht für die Grünen nicht nur inhaltlich, sondern auch formal keinen Sinn.

„Wir finden es höchst verwirrend, weil der Radstreifen längst angeordnet war und sogar schon im vergangenen November fertig sein sollte“, so Augner. „Die Nichtinbetriebnahme wäre damit jetzt ein neuer juristischer Akt.“ Ob das rechtssicher ist, wolle man nun prüfen. Über die Stoßrichtung wundere er sich allerdings nicht, sagt Augner: „Das fügt sich ins Bild einer autofreundlichen Politik ein, die einiges zurückdrehen will.“

Als eine der ersten Amtshandlungen habe Schrod-Thiel in der Tegeler Veitstraße das Gehwegparken wieder ermöglicht, das ihre Vorgängerin beendet hatte. Offenbar geht die CDU-Stadträtin ohnehin eigene Wege: Die Anweisung von Senatorin Schreiner bezog sich laut einer späteren Klarstellung ausdrücklich nicht auf schon ausgeführte Arbeiten.

Umwelthilfe will klagen

Rückendeckung bekommen die Reinickendorfer Grünen von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die mit dem Führen von Prozessen erfahrene Organisation teilte mit, eine persönlich betroffene Mitarbeiterin habe beim Bezirksamt Widerspruch eingelegt und die Wiederherstellung der Radstreifen beantragt. Nach Verstreichen einer Frist am 3. Juli will die DUH einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht stellen.

Außerdem hat die Umwelthilfe Akteneinsicht in den Verwaltungsvorgang beantragt: Man gehe davon aus, dass die Sperrung rein politisch motiviert und nicht neuen fachlichen Erkenntnissen geschuldet sei, so DUH-Verkehrsexperte Robin Kulpa. Dass der neue Radstreifen „vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss“ sei, räumt er ein – ihn nicht in Betrieb zu nehmen habe aber eine hohe Symbolkraft.

Zurück auf die Straße: „Ich verstehe das nicht“, sagt ein Radfahrer, der mit Helm und Fahrradtasche unterwegs ist und „regelmäßig“ diese Verbindung nutzt. „Das wird sich in den Unfallzahlen widerspiegeln“, glaubt er, teilweise gebe es gar keinen Platz für Radfahrende. Dabei will er nicht falsch verstanden werden: „Ich habe kein Problem mit Autofahrern, die meisten nehmen Rücksicht“, betont er. Aber es sei an vielen Stellen schlicht zu eng.

Wie es sein könnte, erfährt man weiter stadtauswärts auf der Oranienburger Straße: Dort gibt es schon länger einen knapp zwei Meter breiten Radstreifen mit durchgezogener weißer Linie und glattem Asphalt. Derweil haben fleißige, aber unbefugte Hände einige der gelben Kreuze auf der Ollenhauerstraße abgepult. Mittlerweile wurden sie – ob vom Bezirksamt oder von Auto-AktivistInnen – mit roter Sprühfarbe erneuert.

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