piwik no script img

Gesetzentwurf zur SterbehilfeHilfe zum Suizid wäre erlaubt

Vor der Sommerpause soll der Bundestag zur Sterbehilfe entscheiden. Nun haben sich zwei überparteiliche Gruppen auf einen Entwurf geeinigt.

Renate Künast (Grüne), Helge Lindh (SPD) und Katrin Helling-Plahr (FDP) stellen die Initiative vor Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Zwei Abgeordnetengruppen haben am Dienstag einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe vorgestellt. Der Entwurf liegt der taz vor. Darin vorgesehen ist die Betreuung von suizidwilligen Personen durch ärztliche Beratung. „Hilfe zur eigenhändigen Selbsttötung“ wäre damit straffrei und erlaubt. „Hilfe zur Selbsttötung sollte nicht bestraft, sondern mit Respekt behandelt werden“, betont Katrin Helling-Plahr von der FDP. „Wir stellen uns entschlossen an die Seite all jener, die ihr eigenes Lebensende nach ihren Vorstellungen für sie würdevoll gestalten möchten.“

In Ausnahmefällen dürfen laut Gesetzentwurf Erwachsene auch ohne Beratung Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten bekommen. Etwa bei einer „nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung“. In jedem Fall muss die suizidwillige Person „in einem existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen“ sein. Ist sich die Ärztin bei der Beratung nicht sicher, soll es möglich sein, eine zweite ärztliche Meinung heranzuziehen.

Der Entwurf sieht zudem vor, dass die Länder ihre Beratungsangebote ausbauen und sui­zidwillige Personen „unverzüglich“ zu beraten seien.

Till Steffen (Grüne) begründet die verpflichtende ärztliche Beratung am Dienstagmorgen damit, dass man sich „am Konzept der Schwangerschaftskonfliktberatung“ orientiert habe, „weil das ein Konzept ist, das gut funktioniert“.

Mit dem Entwurf reagieren die beiden Abgeordnetengruppen um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Renate Künast (Grüne) auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor drei Jahren, das ein pauschales Verbot von ­Sui­zid­assistenz gekippt hatte. Lediglich Politiker_innen von AfD und Union waren nicht Teil der Abgeordnetengruppen.

Mit dem Zusammenlegen der beiden liberalen Abgeordnetengruppen liegen dem Bundestag noch vor der Sommerpause zwei Entwürfe vor, über die abgestimmt werden kann – vermutlich ohne Fraktionszwang. Der andere Gesetzentwurf aus der Gruppe um Lars Castellucci (SPD) will Sterbehilfe über das Strafrecht regeln. Nina Scheer (SPD) sagte am Dienstag, dass sie diesen Vorschlag als verfassungswidrig einschätze.

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/1 11 01 11 oder 08 00/1 11 02 22) oder www.telefonseelsorge.de besuchen. Dort gibt es auch die Möglichkeit, mit Seel­sor­ge­r_in­nen zu chatten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Was sind denn die notwendigen Kriterien, um sich laut dieses Entwurfes zu qualifizieren? Im Artikel sind nur die Kriterien für Assistenz ohne vorherige Beratung aufgeführt.

  • das [...] bei einer „nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen erkrankung“[...] bald geholfen werden kann, ist schön aber leider nur ein teilerfolg. wer zb. sehr alt und zerbrechlich ist und das eigene leben würdevoll beenden möchte—vor der eigenen pflegebedürftigkeit—bleibt damit wahrscheinlich weiterhin alleingelassen.

  • 6G
    678409 (Profil gelöscht)

    Herr Spahn hatte das ja aus christlichen Gründen abgelehnt. Ist immer wieder schön zu sehen, wann sich die CDU/CSU sich auf einmal auf ihre christlichen Werte besinnt. In vielen anderen Fällen, wo es auch nötig wäre, gibt es die christlichen Werte dann auf einmal nicht mehr.

    Jeder, der schon mal mitbekommen hat, wie ein naher Verwandter, der unter einer unheilbaren Krankheit gelitten hat, eben nicht einfach friedlich eingeschlafen ist, sondern sich gequält hat bis er gestorben ist. Alles unter Begleitung von Palliativmedizinern, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles tun Mit würdevollem Sterben hat das aber nicht wirklich viel zu tun. Vollgepumpt mit Drogen jeglicher Art, die dem Menschen das Bewusstsein nehmen sollen.

    Ich hoffe, dass das Gesetz durchgeht.

  • Hoffentlich kommt das Gesetz in dieser Form!

  • Anstatt die Sterbehilfe in den Vordergrund zu stellen, wäre es vielleich besser, sich zu kümmern, dass Menschen ein würdiges und selbstbestimmtes Leben bis zum Ende zu ermöglicht, etwa in einem Hospiz.

    • @Günter:

      Hospize gibt es ja schon.



      Eine Lücke existiert eben für Situationen, in denen Würde und selbstbestimmtes Leben nur noch schöne Schlagworte sind, weil sie angesichts von Schmerz und anderem Leid gar nicht mehr zum Tragen kommen können. Zum selbstbestimmten Leben gehört dann auch das selbstbestimmte Ende desselben.