: Höllor und Bösor
FAHRRADFAHRER Rainald Goetz als Teil des Berliner Straßenbilds
Dass man Schriftstellern, die für einen in der einen oder anderen Weise prägend waren, auf der Straße über den Weg läuft, ist in Berlin sicher weniger ungewöhnlich als in anderen Städten Deutschlands. Im Grunde ist so ein Vorgang ja völlig banal: Auch Menschen, die schreiben, müssen manchmal die eigenen vier Wände verlassen und setzen sich damit den Blicken der Öffentlichkeit aus.
Rainald Goetz bin ich allerdings so oft – wenn auch aus der Ferne – begegnet wie sonst keinem Dichter. Zuerst in Hamburg, wo er im Deutschen Schauspielhaus auf der Premierenfeier seines Stücks „Festung“ versunken zu House Music tanzte, ein paar Jahre später in München, als ich in einer Wohnung zu Gast war, von der aus man auf seinen Balkon blicken konnte, auf dem sein roter Rave-Overall auslüftete.
In Berlin gab es dann eine Zeit, da konnte ich mir sicher sein, ihn auf dem Weg zum Mittagessen in meinem damaligen Lieblingsjapaner mit einiger Regelmäßigkeit auf dem Fahrrad zu sehen. Um mich fast genauso häufig zu fragen, was mich eigentlich an genau diesem Autor so fasziniert. War es der Betonblock von einem Roman „Irre“, in dem ein deutscher Schriftsteller wohl zum ersten Mal die amerikanische Band Devo erwähnte, die mir, damals noch als Kind, die Ohren aufzog, oder der Umstand, dass Goetz in den Neunzigern dem praktisch nicht begrifflichen Techno eine poetische Sprache schenkte?
Ach ja, Techno: Im Club Berghain, für dessen Monatsprogramm er schön seltsame Kolumnen schrieb, bevölkert von Figuren wie „Höllor“ oder „Bösor“, war es ebenfalls unvermeidlich, ihn gelegentlich zu treffen.
TIM CASPAR BOEHME
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