piwik no script img

Höchste Einwanderungszahl sorgt für Kritik

Großbritannien veröffentlicht die Migrationszahlen für 2022. Zugezogen sind viele Ukrai­ne­r:in­nen, Menschen aus Hongkong, ausländische Studierende – und kaum noch EU-Bürger

Aus London Daniel Zylbersztajn-Lewandowski

Gut 600.000 Personen mehr als das Land verließen sind im vergangenen Jahr in das Vereinigte Königreich zugezogen – die höchste jährliche Zuwanderungszahl aller Zeiten, und ein Anstieg um über 100.000 Menschen mehr im Vergleich zum Vorjahr. Insgesamt kamen laut des britischen Amts für Na­tionale Statistik (ONS) mehr als 1,2 Millionen Menschen ins Land. Der konservative Premierminister Rishi Sunak erklärte nach Veröffentlichung, die Zahlen seien „zu hoch“.

Die stellvertretende Chefin des ONS, Jay Lindop, gab an, dass das Wachstum vor allem der Aufnahme von Geflüchteten aus drei Staaten geschuldet sei: aus der Ukraine mit etwa 114.000 Personen, aus Hongkong und aus dem von den radikalislamischen Taliban beherrschten Afghanistan.

Aus der EU kamen 2022 nur noch 151.000 Personen nach Großbritannien, 45.000 weniger als noch 2021. Im Jahr 2019 lag der Anteil von EU-Bürger:innen in der Zuwanderungsstatistik noch bei über der Hälfte der Gesamtzahl, inzwischen sind es nur noch 13 Prozent. Etwa 200.000 EU-Bürger:innen verließen unterdessen das Land, 36 Prozent der Gesamtzahl aller Abgewanderten.

Über 925.000 Personen – knapp unter 80 Prozent der insgesamt 1,2 Mil­lio­nen neu Zugewanderten – stammten aus Nicht-EU-Staaten, ein gravierender Anstieg zum Vorjahr, in dem nur etwa 290.000 Personen aus Nicht-EU-Staaten kamen. Ein Viertel der Nicht-EU-Staatsangehörigen habe die Insel mit einem Arbeitsvisum erreicht.

Für die Torys in ihrem 13. Regierungsjahr bedeutet dies eine politisch prekäre und selbstgeschaffene Krise: Bereits 2010 wollte der damalige Premier David Cameron den jährlichen Zuwachs auf nur „Zehntausende“ beschränken. Doch weder unter ihm noch unter seinen Nach­fol­ge­r:in­nen konnte dieses Versprechen gehalten werden. Auch Ex-Premier Boris Johnson versprach die Einwanderung deutlich zu reduzieren.

Aus diesem Kampf gegen Einwanderung entwickelte sich eines der meistzitierten Argumente für den Brexit, den Austritt des Königreichs aus der EU.

Auch Sunak sagt: Die illegale Überquerungen des Ärmelkanals zu stoppen, habe hohe Priorität. Die Regierung setzt ihren strengen Kurs fort, wie bereits in ihrem Plan, nach Ruanda abzuschieben, bewiesen.

Am Mittwoch beschloss London, dass nur noch Stu­den­t:in­nen, die zwecks Forschungsstudien ins Land reisen, in Begleitung von Familienangehörigen kommen dürfen. Ein Anstieg von ausländischen Studierenden, die nach dem Ende der Coronapandemie wieder in größerer Zahl nach Großbritannien reisten, spielt ebenfalls eine Rolle beim Anstieg der Migrationszahlen.

Die Abgeordnete der schottischen Nationalpartei, Carol Monaghan, kritisiert diese neue Regel der Regierung: Studierende würden der britische Wirtschaft umgerechnet 50 Milliarden Euro pro Jahr einbringen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen