: Jäger wollen Jagdsteuer zur Strecke bringen
Die designierte Landesregierung soll die seit 200 Jahren geltende Jagdsteuer umgehend kassieren. Das fordert Jochen Borchert, der Jägerpräsident Nordrhein-Westfalens. Auch die FDP will solche Bagatellsteuern abschaffen. Für Umweltschützer ein Zeichen inakzeptabler Klientelpolitik
VON BORIS R. ROSENKRANZ
Nicht Rot-Grün wurde am 22. Mai abgewählt, sondern die Jagdsteuer. Das meint zumindest Landesjagdpräsident Jochen Borchert. Seit Monaten lauerte der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Bochum-Wattenscheid darauf, die in seinen Augen überflüssige Abgabe zu erlegen. Die Traditionssteuer sei schlicht „grotesk“, niemand wende mehr Geld für den Naturschutz auf als die Jäger. Am Dienstag wiederholte der Landesjagdpräsident seine Forderungen vor der Landespresse: „Wir erwarten, dass die künftige Landesregierung ihre Ankündigung verwirklicht und die Jagdsteuer abschafft“, sagte Borchert in Düsseldorf. Dazu müsse das Kommunalabgabengesetz vom Landtag geändert werden. „Die Steuer ist eine erhebliche Belastung für die Jäger und hätte längst abgeschafft werden müssen“, so Borchert.
Borchert war einst Landwirtschaftsminister im schwarz-gelben Kabinett von Helmut Kohl. Nun setzt er seine Hoffnungen in die neue Landesregierung. Und er könnte Glück haben: Die FDP hatte sich schon im vergangenen Jahr für die Abschaffung von „Bagatellsteuern“ stark gemacht. Neben der Jagd- sollte auch die Hundesteuer getilgt werden. Allerdings stieß die FDP mit diesem Vorschlag auf Granit. SPD und Grüne sprachen sich dafür aus, die mehr als 500 Jahre alte Hundesteuer und die mehr als 200 Jahre alte Jagdsteuer beizubehalten. Denn die Hundesteuer bescherte den Kommunen im Jahr 2003 etwa 65,5 Millionen Euro, die Jagdsteuer immerhin noch 9,1 Millionen. Darauf wollte Rot-Grün nicht verzichten.
Die FDP will das offenbar schon: Vielerorts hänge man bloß aus nostalgischen Gründen an der Steuer, sagte Felix Becker (FDP) der taz nrw. „Bagatellsteuern müssen in einem Aufwasch abgeschafft werden.“ Die Jagdsteuer sei „keine große Einnahmequelle“. Wie in anderen Bundesländern werde sie bald Vergangenheit sein: Unlängst schaffte beispielsweise Brandenburg die kommunale Abgabe ab.
Josef Tumbrinck, NRW-Vorsitzender des Naturschutzbundes (NABU), weist darauf hin, dass es auch Bundesländer gebe, in denen die Abschaffung zur Wahl propagiert worden sei. Hessen zum Beispiel – „geschehen ist bis heute aber nichts“, sagt Tumbrinck. Ansonsten sieht der NABU-Chef die Debatte um die Jagdsteuer „ziemlich leidenschaftslos“. Die Abgabe habe keinen steuernden Effekt darauf, wie viel oder wenig gejagt werde, sagt Tumbrinck. Viel mehr stelle sich die Frage, was die Kommunen dazu sagen, denen die Steuer eigentlich zugute komme. Und zu Borcherts Vergleich, dass nur Jäger, aber keine anderen Naturnutzer zahlen müssten, sagt Tumbrinck: „Der Jäger entnimmt der Natur ja auch etwas – und verkauft es nachher vielleicht.“ Wenn er hingegen nach Vögeln Ausschau halte, würde er nichts mitnehmen. Außer den schönen Eindrucken.
Klaus Brunsmeier, NRW-Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz, sieht die Sache schon anders: „Wenn das wirklich das Erste ist, was CDU und FDP durchsetzen, ist das Klientelpolitik und absolut inakzeptabel“, sagt der Naturschützer. Das Land hätte dann nicht nur keine Einnahmen mehr, sondern müsste den Kommunen das fehlende Geld auch noch erstatten. Und dass sich die Jäger als Naturschützer hinstellen, kann Brunsmeier nicht verstehen: Es gebe einzelne Mitglieder, die sich für die Natur einsetzen würden. Unter dem Strich blieben aber die negativen Auswirkungen übrig, zum Beispiel, dass der eigentlich feste Fuchsverband durch die Jagd zerstört werde. „Und außerdem“, sagt Brunsmeier, „töten als Leidenschaft? Da fehlen mir die Worte.“
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