Cannabis-Clubs machen mobil: Erst zwei, dann vier, dann sieben

Die Kifferszene ist in Aufruhr, seit der Entwurf zur Teilliberalisierung von Cannabis bekannt ist. Kundgebung immer mittwochs vor dem Kanzleramt.

Ein Joint in der Hand

Die Ampel-Parteien wollen Cannabis für den Genuss legalisieren Foto: dpa

BERLIN taz | Die Wolken hängen tief, es sieht nach Regen aus. Vor dem Kanzleramt im Tiergarten haben sich ein paar Leute mit Hund versammelt: eine Frau, sechs Männer, darunter ein Rollstuhlfahrer. Cannabisschwaden ziehen durch die Luft. Immer mittwochs zwischen 9 und 10.30 Uhr, wenn drinnen das Bundeskabinett tagt, demonstrieren Mitglieder des Cannabis Social Club (CSC) High Ground hier. Von den zwei in Berlin existierenden Cannabisclubs ist der High Ground der jüngere.

Am Wochenende hatte in Berlin das Bundestreffen der Cannabisclubs stattgefunden. Die Kifferszene ist in Bewegung, seit SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Grünen-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir im April die Eckpunkte des Gesetzes zur Teilliberalisierung von Cannabis vorgestellt hatten.

Dass es an dem 84-seitigen Gesetzentwurf der Ampel-Bundesregierung viel Kritik gibt, bringt die Minikundgebung vor dem Kanzleramt am Mittwoch für Außenstehende nicht rüber. Keine Transparente, keine Parolen, die Gruppe ist einfach da, unterhält sich, einige rauchen. E

Es gehe darum, die CSC-Bewegung zu repräsentieren, um eine vernünftige Gesetzesregelung zu erreichen, erklärt OIiver Waack-Jürgensen, Vorsitzender des High Ground, der taz. Der 60-jährige große Mann mit Zopf hat die Versammlung angemeldet. Ob er enttäuscht ist über die geringe Teilnahme? Waack-Jürgensen schüttelt milde lächelnd den Kopf: „Zuerst waren wir zwei, letzten Mittwoch vier, heute sind wir schon sieben“.

Kassen verweigern Kostenübernahme

Einen qualmenden Joint in der Hand erzählt der Rollstuhlfahrer, dass er 150 Gramm Cannabis im Monat benötige – Cannabis als Medikament wohlgemerkt. Er beziehe das auf Rezept aus der Apotheke, müsse das aber aus eigener Tasche bezahlen, weil die Krankenkasse die Kosten nicht übernehme. Die Dosierung helfe ihm, morgens aus dem Bett zu kommen und auch ab und an den Rollstuhl zu verlassen. Um zu zeigen, was er meint, erhebt sich der Mann und geht ein paar wackelige Schritte.

Auch die einzige Frau in der Runde outet sich als Bezieherin von Cannabis auf Rezept, ohne Kostenübernahme. Sie lindere damit ihre Arthrosebeschwerden, sagt die 48-Jährige. Die Verweigerungshaltung der Kassen sei ein Unding, schimpft der Rollstuhlfahrer. Vielen Patienten ergehe es so. Auch hier sei die Ampelregierung gefordert.

Ob es mit der Polizei schon mal Ärger gab, wegen des öffentlichen Konsums vor dem Kanzleramt? Ja, sagt Waack-Jürgensen. Man habe dann darauf hingewiesen, dass sie es hier mit Patienten zu tun hätten. Dann hätten sie bestimmt ein Rezept dabei, habe der Beamte erwidert. „Mit unserem Ja hat er sich dann zufrieden gegeben“.

Kurz vor 11 Uhr, eine halbe Stunde über die angemeldete Kundgebungszeit. Eine Polizistin nähert sich. „Wir sind fertig“, ruft ihr der Rollstuhlfahrer entgegen. „Kein Stress und schönen Tag noch allerseits“, entgegnet die Beamtin und geht weiter.

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