Waffenstillstand für Sudan vereinbart: Die größte UN-Hilfe der Geschichte?
Durchbruch in Saudi-Arabien: Ab Montag sollen die Waffen in Sudan schweigen. Die UN könnten dann mit ihrer bis jetzt größten Hilfsaktion beginnen.
Ab Montag, so die am Samstag bei indirekten Gesprächen im saudischen Dschiddah getroffene Vereinbarung „über einen kurzfristigen Waffenstillstand und humanitäre Belange“, sollen die Armee und die paramilitärische Miliz RSF (Rapid Support Forces), die seit 15. April um die Macht in Sudan kämpfen, alle „Angriffe und Offensivaktionen“ einstellen, ebenso alle Verletzungen des humanitären Völkerrechts, Verbrechen gegen Zivilisten, Besetzungen von zivilen und öffentlichen Einrichtungen und sonstige Kriegsakte.
„Während der Dauer des kurzfristigen Waffenstillstands werden die Parteien die Bewegungsfreiheit von Zivilisten im ganzen Land garantieren und Zivilisten von Gewalt, Belästigung, Rekrutierung und anderen Übergriffen schützen“, heißt es weiter. Es soll „sicheren und ungehinderten“ Zugang für Hilfswerke geben und „freie Fahrt und ungehinderten Straßenzugang entlang designierter Korridore oder Routen für humanitäre Lieferungen“.
Ein Komitee aus je drei Vertretern der beiden Kriegsparteien und der beiden Vermittler, also USA und Saudi-Arabien, soll in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen (UN) und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz die Einhaltung der Vereinbarung überwachen und im Falle der Nichteinhaltung „angemessene Maßnahmen“ beschließen. Die Gespräche in Dschiddah haben vor zwei Wochen begonnen.
Vereinbarung hatte Fortgang der Gespräche sichergestellt
Eine erste Grundsatzvereinbarung vom 11. Mai, humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in Sudan zu ermöglichen, hatte zwar vor Ort nichts geändert, aber den Fortgang der Gespräche sichergestellt. Zwischenzeitlich wurde die Lage in Sudan immer dramatischer. Vor allem in der Hauptstadt Khartum sowie in der westsudanesischen Region Darfur dauerten schwere Kämpfe an – auch am Sonntag wurde geschossen.
Am 17. Mai veröffentlichte das humanitäre UN-Koordinierungszentrum OCHA den größten Sudan-Hilfsappell seiner Geschichte und bat kurzfristig um drei Milliarden US-Dollar, um 18 Millionen Menschen in Sudan – nahezu die Hälfte der Bevölkerung – sowie eine Million Flüchtlinge in Nachbarländern bis Jahresende versorgen zu können.
Die Einhaltung der Zusagen von Dschiddah wird nun ein Schlüssel dafür sein, ob internationale Geber in der Tat dazu bereit sind. Der UN-Sudan-Beauftragte Volker Perthes ist jetzt nach New York gereist und soll dort am Montag dem UN-Sicherheitsrat Bericht erstatten.
Die Waffenstillstandsvereinbarung gilt zunächst für sieben Tage. Eine Verlängerung muss spätestens 48 Stunden vor Ablauf beantragt werden – also bis kommenden Samstag. Eine Verlängerung bedarf der Zustimmung beider Seiten.
Umbesetzungen an der Spitze von Staat und Militär
Parallel zum Abschluss der Gespräche hat Sudans Militärmachthaber Abdelfattah al-Burhan wichtige Umbesetzungen an der Spitze von Staat und Militär verfügt. RSF-Chef Hamdan Daglo Hametti, bisher Vizepräsident des von Burhan geführten „Souveränitätsrates“ und damit faktisch Sudans Vizepräsident trotz seines Krieges gegen Präsident Burhan, wurde inzwischen abgesetzt.
Sein Nachfolger wird Malik Agar, historischer Führer der sudanesischen Rebellenbewegung SPLM-N (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung-Nord), die im Bundesstaat Blue Nile aktiv ist, und auch Chef der Rebellenkoalition SRF (Sudanesische Revolutionäre Front), die verschiedene Rebellengruppen vereinte und 2020, ein gutes Jahr nach dem Sturz des Militärdiktators Omar Hassan al-Bashir, mit Sudans neuen Machthabern unter Burhan Frieden schloss.
Mit Agars Beförderung zur Nummer zwei des sudanesischen Staates will Burhan nun offenbar Bemühungen Hamettis vereiteln, ehemalige Rebellen um seine RSF zu scharen, und sich zugleich zum Friedens- und Demokratisierungsprozess für Sudan bekennen – von dem zuletzt nichts mehr zu sehen war.
Nach seiner Ernennung erklärte Agar am Samstag, er stehe im aktuellen Konflikt auf keiner Seite. Nötig sei jetzt, „den Krieg in Sudan zu beenden und am Verhandlungstisch logische Lösungen zu erreichen“.
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