piwik no script img

Russlands AngriffskriegUkraine spricht von „Ra­schis­mus“

Die Ukraine führt einen offiziellen Begriff für Russlands Kriegsideologie ein. Die Resolution ist auch an die internationale Gemeinschaft gerichtet.

Werbeplakat der russischen Regierung in Moskau, um Freiwillige zu rekrutieren Foto: Evgenia Novozhenina/reuters

Berlin taz | Russlands Krieg gegen die Ukraine hat mittlerweile auch sprachlich seine Spuren hinterlassen. Im Russischen fällt die überaus häufige Verwendung der Worte „Faschismus“ und „Faschisten“ auf, die es im Nachbarland zu bekämpfen und zu „vernichten“ gelte. In der Ukraine werden Kremlchef Wladimir Putin gerne auch mal als „Putler“ sowie von russischen Truppen in den besetzten Gebieten eingesetzte Statthalter als „Gauleiter“ bezeichnet.

Auch eine andere Wortschöpfung geistert in der Ukraine schon länger durch die sozialen Netzwerke, Präsident Wolodimir Selenski nahm sie bereits im April vergangenen Jahres bei einer Pressekonferenz in den Mund: Die Rede ist von dem Begriff „Raschism“ – eine Anleihe beim Englischen und eine Zusammensetzung aus den beiden Worten „russian fascism“. „Der Raschismus als Ideologie des heutigen Russland wird seinen Platz in den Geschichtslehrbüchern bekommen“, sagte Selenski damals.

Am Dienstag dieser Woche befasste sich auch das ukrainische Parlament, die Werchowna Rada, mit dem Thema. Mit dem Titel „Über die Definition des in der Russischen Föderation bestehenden politischen Regimes als Rassismus sowie die Verurteilung seiner ideologischen Grundlagen und sozialen Praktiken als totalitär und menschenfeindlich“ stimmten 281 von 450 Abgeordneten für eine Resolution, die den Begriff „Raschismus“ quasi als offiziellen Terminus in die Gesetzgebung einführt.

„Der brutale, durch nichts provozierte Krieg Russlands gegen die Ukraine hat der ganzen Welt das wahre Wesen des politischen Regimes von Wladimir Putin offenbart. Dieses Regime ist eine neo-imperiale, totalitäre Diktatur, die den schlimmsten Praktiken der Vergangenheit folgt und die Ideen des Faschismus und Nationalsozialismus in der modernen Version des russischen Faschismus verkörpert“, heißt es in einer entsprechenden Erklärung.

Die Resolution, so deren Initiatoren, werde es ermöglichen, die Formen der russischen Aggression zu definieren und international besser zu ahnden. Die Politik der Russischen Föderation werde verurteilt, denn sie führe zu Kriegsverbrechen und einem Völkermord am ukrainischen Volk.

Botschaft an internationale Gemeinschaft

Die Resolution der Rada soll auch an internationale Organisationen, wie die Vereinten Nationen, das Europäische Parlament, die Parlamentarische Versammlung des Europarates, die OSZE sowie die Parlamente ausländischer Staaten weitergeleitet werden – verbunden mit der Aufforderung, die Ideologie, Politik und Praxis des „Raschismus“ zu verurteilen.

Zudem rufen die Abgeordneten die internationale Gemeinschaft dazu auf, reale Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, die politische und militärische Führung Russlands für Verbrechen in der Ukraine und an den Ukrai­ne­r*in­nen juristisch zur Verantwortung zu ziehen.

Die jüngste Resolution der Werchowna Rada ist im Kontext einer ganzen Reihe von Vorschriften mit einer ähnlichen Stoßrichtung zu sehen. So unterzeichnete Wolodimir Selenski zuletzt ein Gesetz über die „Entkolonialisierung von Toponymen“. Dieses Gesetz verbietet es, geografische Objekte und Straßen in der Ukraine mit Namen zu versehen, die mit Russland verbunden sind.

Ein anderes Gesetz untersagt in der Ukraine die Verbreitung von Büchern sowie anderen Verlagsprodukten aus Russland, Belarus sowie den russisch besetzten Gebieten der Ukraine.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Ist ja alles verständlich, aber Bücher zu verbieten nur weil sie aus dem falschen Land kommen halte ich für kontraproduktiv.

  • Ja, ich stimme zu - man soll nich alle Russen beschuldgen (Ich bin auch aus Russland)

    Als eine Vergleichung kann ich uber Zweite Weltkrieg und Deutsche sagen - ich kann nicht jene Deutsche beschuldigen. Ich meine, z.b. - gab es eine Frau mit Kinder, die war gegen Fuhrer - was konnte sie gegen Fuhrer und Naziregierung sagen? Nichts!

    Nur ein Wort und sie wird erschossen werden. Und wer danach fur ihre Kinder sorgen?

    Was kann solche Frau gegen Waffen SS machen? Nichts!



    Und was kann jetzt russische Frau gegen russische Polizei machen? Auch nichts. So gibts es nur eine moglichkeit - still bleiben und warten den Tod des Putin's...

    P.S. Ich entschuldige fur Fehler in diesem Text - leider ich kann Deutsch nicht besonders gut.

  • "das wahre Wesen des politischen Regimes von Wladimir Putin"



    Drum ist der adäquate Begriff auch Putinismus.

    • @Barbara Falk:

      Muss ein Autokrat gleich auch ein Faschist sein, um gegen ihn zu Felde zu ziehen? Genügen nicht die nachgewiesenen Kriegsverbrechen in der Ukraine, um Putin vor den IStGH zu bringen bzw. anders gefragt, sind nur Faschisten in der Lage und willens, derartige Verbrechen zu begehen?



      Wenn ich vor einem inflationären Gebrauch des Faschismusbegriffs warne, dann, weil ich auch die Gefahr der Relativierung der NS-Kriegsverbrechen in der Sowjetunion sehe, die diese ständige Vergleiche nach sich ziehen können. Mit dem Begriff Genozid - die Debatte hatten wir hier ebenfalls schon - wäre ich ebenso vorsichtig mit Blick auf die Shoa, die von deutschem Boden ausgegangen ist.



      Keine Frage, dass die russischen Kriegsverbrechen jetzt in der Ukraine nicht relativiert werden dürfen sowie die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Ein ganzes Volk wie das russische dafür aber in Kollektivhaft zu nehmen, halte ich für falsch. Das legt der Begriff „Raschismus“ jedoch nahe.

      • @Abdurchdiemitte:

        Ups, dieser Beitrag sollte eher allgemein an die Mitforisten adressiert sein, weniger als Antwort auf Ihren Kommentar, auf den sich lediglich mein erstes Posting bezieht.

    • @Barbara Falk:

      Stimme zu. Mit vergleichenden Begriffen wie Faschismus habe ich hinsichtlich der Analyse der russischen Gesellschaft so meine Schwierigkeiten. Fest steht, dass es sich auf alle Fälle um ein autokratisches System handelt. Aber Faschismus, gar „Raschismus“?



      Und ich denke nicht, dass eine trennscharfe Einordnung reine Erbsenzählerei ist, wenn ich an die ideologischen Implikationen denke, die die Verwendung des Faschismusbegriffes im Zusammenhang mit Russland und der russischen Aggression gegen die Ukraine nach sich zieht.



      Um für eine auch militärische Unterstützung der Ukraine zu plädieren und Putin als den Autokraten und Kriegsverbrecher zu sehen, der es ist (und der zu Recht vor den IStGH gezerrt gehört), muss ich ihn nicht noch als Faschist markieren oder ihn „Putler“ nennen.