Plutonia Plarre hat beim Gedenken in der Schönholzer Heide gelauscht: „Lass uns das doch zusammen machen“
Der strahlend blaue Himmel bringt die Monumentalität des Sowjetischen Ehrenmals im Volkspark Schönholzer Heide richtig zur Geltung. Es ist der 8. Mai, Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen wird in Berlin an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 78 Jahren erinnert. Die Polizei ist mit mehr als 1.500 Kräften im Einsatz, weil bei den Veranstaltungen Spannungen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukranie befürchtet werden. Auch an den Toren des Ehrenmals hat sie sich aufgebaut.
Nachtigallen trällern, die zart grünen Blätter der Bäume, die die drei Hektar große steinerne Anlage umgeben, wehen leise im Wind. Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin, hat sich zur Kranzniederlegung angekündigt. Auch Franziska Giffey (SPD), stelllvertretende Bürgermeisterin, ist gekommen – und: Wolfgang Wieland, der 75-jährige stadtbekannte Grüne ist in seiner Eigenschaft als Vizepräsident des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge da.
In 16 Grabkammern sind 1.182 Angehörige der Roten Armee bestattet. Im Zentrum des Ehrenfriedhofs steht ein Obelisk, davor eine an eine Pietà erinnernde Skulptur „Mutter Erde“. Vor ihr sind mehrere Kränze aufgestellt. Die Bundesregierung hat einen geschickt, das Abgeordnetenhaus und auch der Regierende Bürgermeister. Anders als üblich gibt es an diesem 8. Mai keine Musik und keine Reden, eine stille Gedenkminute ist angekündigt.
Wegner tritt gemeinsam mit Giffey an den Berliner Kranz Berlin und richtet zusammen mit ihr die Schleifen. „Lass uns das doch zusammen machen“, habe Wegner zu ihr gesagt, erzählt Giffey danach. „Ich habe gesagt, okay.“ Wegner und Wieland plaudern danach noch ein bisschen. Die politischen Widersacher kennen sich seit Ewigkeiten. Wieland bei der Begrüßung von Wegner mit einem unterdrückten Lachen: „Dass Sie mal Regierender Bürgermeister werden, hätte ich nie geglaubt.“ Wegner: „Ich schon, aber ich war auch der Einzige.“ Auch er müsse sich erst mal an seine neue Rolle gewöhnen, gesteht er dann. Er gucke sich immer noch um, ob jemand anderes gemeint sei, wenn jemand „Herr Regierender Bürgermeister“ rufe.
Alles bleibt friedlich an diesem 8. Mai in der Schönholzer Heide. Am Nachmittag entscheidet das Oberverwaltungsgericht dass am 9. Mai weder russische Fahnen noch Flaggen der UdSSR vor dem sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten gezeigt werden dürfen. Zur Begründung hieß es, die Prognose der Polizei, dass die Symbole angesichts des fortdauernden Angriffskrieges gegen die Ukraine geeignet seien, Gewaltbereitschaft zu vermitteln, treffe zu.
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