piwik no script img

Mit dem Nachtzug durch FinnlandSogar an die Haustiere ist gedacht

Von Helsinki bis an den Polarkreis fährt ein doppelstöckiger und sehr komfortabler Nachtzug. Ein besonderes Highlight ist die Bad- und Duschkabine.

Auf zwei Stockwerken geht es Richtung Norden Foto: Michael Brake

Helsinki taz | Wildgänse! Rentiere! Eulen! So einen Nachtzug habe ich noch nie gesehen. Es ist kurz vor 23 Uhr, ich stehe im Bahnhof von Helsinki und staune über das Gefährt, das ich gleich betreten werde. Knallig grün und weiß ist es, bemalt mit stilisierten Tiermotiven, an einer Stelle grüßt auch der Weihnachtsmann – stimmt, der soll ja auch in Rovaniemi wohnen, direkt am Polarkreis, wohin meine Reise geht.

Dazu kommt die Höhe. Doppelstöckig und mehr als fünf Meter hoch ragt der Nachtzug der finnischen Staatsbahn VR vor mir auf. So ein großes – Achtung, Fachbegriff! – Lichtraumprofil haben Züge übrigens auch in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, und: technisch gesehen ist die finnische Eisenbahn ja tatsächlich im Russischen Zarenreich entstanden. Wie praktisch, dass es im flachen Finnland so gut wie keine Tunnel gibt.

Das Obergeschoss ist also nicht so ein Schlauch wie in deutschen Zügen, sondern ein normaler Innenraum, und dort befindet sich auch mein Abteil. Es gibt im Zug übrigens auch ein paar spezielle Haustierabteile, die Wassernapf und Schlafkoje für Hund oder Katze bieten.

Eine Lochkarte, die als Schlüssel dient, liegt in doppelter Ausführung bereit, die beiden übereinander liegenden Betten sind frisch bezogen, mit festem Leinen. An ihren Kopfenden findet sich eine retrohafte Konsole mit Licht, Radio und Wecker – einziger Nachteil: Die Uhrzeit leuchtet ziemlich nervig, direkt auf Kopfhöhe. Pulli drüberhängen, Problem gelöst! Und so kann ich tatsächlich gut schlafen. Noch nie habe ich so einen geräuscharmen Nachtzug mit einem so bequemen Bett erlebt.

Hunde bitte nach rechts gehen Foto: Michael Brake

Das konstrukteurstechnische Highlight meines Abteils ist aber das Bad: Erst ist es ein Klo mit Spiegel, Waschbecken, Becherhalter. Doch mit nur zwei Handgriffen kann man die Rückwand komplett nach vorne klappen und steht nun in einer Dusche, aus der im Übrigen warmes Wasser mit ordentlichem Druck kommt.

Drinnen Zimtbrötchen, draußen Schnee

Der einzige Wagen, der nicht doppelstöckig ist, ist das Restaurant. Hier wird bis 2 Uhr früh serviert, man kann sich warme Mahlzeiten (für 10 bis 15 Euro, also für Finnland nicht teuer) auch ans Abteil bringen lassen – genau wie ein Frühstück. Ich kaufe mir Kaffee und Zimtbrötchen lieber vor Ort und verzehre sie auf einem der Hocker, von denen man wie an einem Tresen direkt durch ein Panoramafenster schaut. Draußen: Wald, Wald, Wald, Schnee, Schnee, Schnee, aber immer auch ein paar Häuser, fast alle hölzern, dunkelrot, mit weißen Kanten. So stellt man sich Finnland doch vor.

taz-Serie Nachtzugkritik

Nachtzüge sind eine umweltfreundliche Alternative zu vielen Flügen. Die taz stellt deshalb in loser Folge Verbindungen mit Schlaf- oder Liegewagen vor. Wir schreiben aber auch, was besser werden muss, damit sie für mehr Menschen attraktiver werden. Alle Folgen finden Sie auf www.taz.de/nachtzugkritik.

Die Preisgestaltung für diese wunderbare Reise ist äußerst variabel. Für meine sehr kurzfristig gebuchte Fahrt von Samstag auf Sonntag zahle ich 162 Euro. Hier ist der Aufpreis für Toilette und Bad im eigenen Abteil schon eingerechnet, doch der macht ohnehin nur 20 Euro aus – das nicht zu nutzen, wäre am falschen Ende gespart. In der Nacht zuvor wäre die Fahrt rund 50 Euro teurer gewesen, aber es geht auch deutlich billiger. Denn man kauft immer ein ganzes Abteil, für zwei Leute bleibt der Preis der gleiche. Und bucht man weit genug im Voraus, kann der Abteilpreis auf 70 beziehungsweise 90 Euro fallen.

Rovaniemi erreichen wir in der Mittagszeit, bei gleißender Sonne und minus 8 Grad, und das Ende März. Für viele ist die Stadt nur eine Durchreisestation in die Wintersportgebiete des noch höheren Nordens. Wer aber länger bleibt, sollte das Arktikum nicht verpassen, ein Museum, das sich dem Nordpolargebiet als Natur-, Kultur- und Wirtschaftsraum widmet – Wildgänse, Rentiere und Eulen inklusive.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Kann man sich vorstellen, hier ein solches Projekt zu betreiben? Mit der Deutschen Bahn? Das bringen die nie, NIE fertig.

  • Ich habe 20 Jahre in Finnland gelebt und weiß Zugfahrten dort durchaus zu schätzen. Besonders die Abteile für Haustiere und ihre Menschen sorgen bei allen Beteiligten für deutlich mehr Reisekomfort als das in Zügen in Deutschland je möglich ist.



    Allerdings muss erwähnt werden, dass von Rovaniemi leider keine Züge mehr nach Norden gehen - es fehlen die Gleise.

  • Dieser Artikel macht richtig Lust auf Zug in Finnland. Danke dafür! Mehr davon - tolle Züge in Europa weiterhin promoten!

  • Es gibt Länder, wo man sich so eine Bahn leisten kann. Finanziell und Gesellschaftlich. zB. in Finnland.

    Und es gibt Länder wo solche Züge in kürzester Zeit so aussehen würden wie der ÖPNV in Frankfurt/Offenbach. zB. in Deutschland.

    Fazit: Den Finnen sei es gegönnt, mein Neid ist ihnen gewiss.

  • 1520mm Spurweite und mehr hilft für die Mobilitätswende, hoffentlich bleibt das so in Europa (oder wird vielleicht sogar ausgebaut?). Die Vorteile sind ja hier gut beschrieben worden. Weil hier wird ja eher auf "Schmalspur" gesetzt --> de.wikipedia.org/wiki/Rail_Baltica

    • @vøid:

      Nicht die Spurweite, sondern das Lichtraumprofil ist der Knackpunkt. In Nordamerika zum Beispiel ist die Regel-Spurweite dieselbe wie im nicht ehemals zum russischen Zarenreich gehörenden Europa. Aber das Lichtraumprofil ist deutlich größer. Umgekehrt gibt es Länder mit Breitspur größer als 1520 mm, deren Lichtraumprofil eher dem der zentraleuropäischen Regelspur-Länder entspricht (iberische Halbinsel) oder sogar etwas kleiner ist (Irland).

    • @vøid:

      8,5 cm Unterschied hilft nicht den politischen Unwillen Probleme beim Staatskonzern anzugehen oder bei der politisch gewollten Benachteiligung des Verkehrsträgers etwas zu ändern.