Verbindungen zur Wirtschaft: Grüne strengen sich doppelt an

Die Grünen haben nun zwei Kanäle zu Unternehmen, davon ist die Wirtschaftsvereinigung neu. Daneben gibt es schon den Grünen Wirtschaftsdialog.

Habeck zeigt erfreut mit dem Finger auf ein Gerät

Robert Habeck bei der Auftaktveranstaltung des Vereins „Die Wirtschaftsvereinigung der Grünen“ Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN taz | Als Wirtschaftspartei wollen sich die Grünen schon länger positionieren. Im Jahr 2016, noch auf Einladung von Parteichef Cem Özdemir, sprach mit Dieter Zetsche erstmals ein Daimler-Chef auf einem Parteitag – damals noch kritisch beäugt. Annalena Baerbock und Robert Habeck setzten den Kurs später fort; Letzterer amtiert jetzt als erster grüner Wirtschaftsminister.

In der Bevölkerung stehen die Grünen jedoch nicht primär für Wirtschaftskompetenz: In Umfragen des Politbarometers liegen sie in diesem Bereich hinter Union, SPD und FDP. Helfen könnte jetzt ein neuer, in Berlin gegründeter Verein: So wie die SPD ihr Wirtschaftsforum hat und die CDU ihren Wirtschaftsrat, ist seit Dienstag im Vorfeld der Ökopartei die „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“ aktiv. Der Impuls für die Gründung kam von Unternehmer*innen, der Grünen-Vorstand hat sein Placet gegeben und die Bundesvorsitzenden sollen künftig Teil eines Vereinsbeirats sein.

19 Förderunternehmen, die Jahresbeiträge zwischen 10.000 und 20.000 Euro zahlen, hat der Verein bisher gewonnen – darunter Aldi Süd, Google und den Wohnungskonzern Vonovia. Bei der Gründungsveranstaltung trafen sie am Dienstag auf Spitzen-Grüne wie die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang, Bundestags-Frak­tionschefin Katharina Dröge und die Mi­nis­te­r*in­nen Robert Habeck und Lisa Paus.

Er sympathisiere schon lange mit den Grünen, habe bisher aber keine Andockpunkte gefunden, sagte am Rande der Veranstaltung der Unternehmensberater Thomas Fischer, der dem Verein vorsitzt. Sein Ziel: „Wir wollen die Brücke bauen von der Wirtschaft in die Politik. Wir möchten grüne Ideen in Einklang bringen mit Wettbewerbsfähigkeit, Unternehmertum und Innovation.“ Ähnlich äußerte sich Grünen-Chef Nouripour. „Den Dialog mit der Wirtschaft gibt es sehr lange schon. Aber wir brauchen eine institutionelle Plattform“, sagte er. Es sei mehr als offensichtlich, „dass wir gut geölte Scharniere brauchen“.

Vier Menschen in Anzug, darunter Robert Habeck

Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsvereinigung neben Habeck und Nouripour Foto: Michael Kappeler/dpa

Ganz neu ist dieses Ansinnen allerdings nicht. Schon seit mehreren Jahren existiert ein Verein, der einen ähnlichen Zweck verfolgt: der Grüne Wirtschaftsdialog, der sich ebenfalls als „Brückenbauer zwischen Wirtschaft und Politik“ bezeichnet und Gesprächsrunden mit Wirt­schafts­ver­tre­te­r*in­nen und Grünen-Politiker*innen organisiert. Beide konkurrieren nun um Unternehmen als Mitglieder – was in der Wirtschaft zum Teil für Irritation sorgt.

Dialog zwischen Wirtschaft und grüner Politik

Warum die beiden Vereine nicht zusammenarbeiten? Auf der Veranstaltung der Wirtschaftsvereinigung gab es darauf keine eindeutigen Antworten. Unternehmensberater Fischer sagte: „Wir finden es toll, dass es den Wirtschaftsdialog gibt. Es ist wichtig, dass man ganz viele verschiedene solcher Plattformen hat.“

Bei der Konkurrenzvereinigung klingt das allerdings anders. Es sei zielführend für einen effektiven Dialog zwischen Wirtschaft und grüner Politik, „wenn es nur eine Organisation gäbe“, sagt Thomas Gambke, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Grünen Wirtschaftsdialogs, auf Anfrage.

„Allerdings unter der Voraussetzung, dass die Unabhängigkeit des Grünen Wirtschaftsdialog als Grundlage einer gemeinsamen Organisation dient. Das ist auch das klare Signal, dass wir aus der Wirtschaft und weiten Teilen der grünen Partei bekommen.“ Er spielt damit auf die Verbindungen zwischen Partei und der neuen Vereinigung an, die es bei seinem Verein nicht gibt – die Sitze im Vereinsbeirat für Nouripour und Lang zum Beispiel.

Verein und Partei weisen Kritik zurück

Auch die Organisation Lobbycontrol schlägt in diese Kerbe. Sie spricht von einem „Lobbykanal zu grünen Spitzenpolitiker:innen“. Sprecherin Christina Deckwirth fordert „klare Trennlinien zwischen Partei und Vorfeldorganisationen“. Spitzen-Grüne sollten keine Führungsfunktionen im Verein übernehmen. „Auch eine Mitgliedschaft in einem Beirat kann zu Interessenkonflikten führen, privilegierte Zugänge erleichtern und daher problematisch sein“, sagte Deckwirth.

Eine Kritik, die Verein und Partei zurückweisen. „Es ist nicht so, dass die Wirtschaftsvereinigung bei uns anrufen und sagen darf: ‚Hier haben wir Leute, die haben viel Geld gezahlt – kommt her, wir reden‘“, beteuert Nouripour.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.