Tarifeinigung im öffentlichen Dienst: Geschürte Erwartungen nicht erfüllt

Dass die Verdi-Mitglieder mit dem Ergebnis zufrieden sind, ist unwahrscheinlich. Angesichts des erklärten Verhandlungsziels war das Erreichte mager.

Innenministerin Faeser mit Gewerkschaftschef Werneke und Karin Welge, Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände

Richtig glücklich scheint niemand mit der Einigung im Tarifstreit zu sein: Faeser, Werneke und Welge Foto: Sven Käuler/dpa

Ein Grund zum Jubeln ist die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen für die Gewerkschaften nicht. Von einem guten und fairen Abschluss in schwierigen Zeiten spricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Im Vergleich zu anderen Tarifabschlüssen der jüngeren Zeit und mit Blick auf die schwierige finanzielle Situation vieler Kommunen ist das nicht falsch. Der Erwartungshaltung der Beschäftigten entspricht die Einigung allerdings nicht.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Deutsche Beamtenbund werden einige Mühe haben, ihren Mitgliedern die allzu augenfällige große Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu erklären. Wenn man nur auf die Lohnsteigerung im kommenden Jahr schauen würde, ließe sich von einem tragfähigen Kompromiss sprechen. Aber es gibt zwei Probleme, von denen eins in der Vergangenheit, das andere in der Gegenwart liegt.

Die Gewerkschaften sind mit einer hohen Forderung in die Verhandlungen gegangen: In diesem Jahr sollte es eine monatliche Lohnerhöhung von 10,5 Prozent geben, mindestens jedoch 500 Euro. Damit sollten nicht nur aktuelle Kaufkraftverluste verhindert, sondern eine bereits seit 2021 erlittene Reallohnschrumpfung abgemildert werden. Die beruhte auf einem unglaublich niedrigen Tarifabschluss im März 2020, der mit einer erstaunlich langen Laufzeit von 28 Monaten abgeschlossen wurde – ein Desaster.

Doch schon mit dem Tarifabschluss bei der Deutschen Post vor einem Monat war klar, dass auch im öffentlichen Dienst weit weniger herauskommen wird. Wer sich bei einem Konzern, der Milliardengewinne erzielt, mit Einmalzahlungen für 2023 und einer Lohnsteigerung von monatlich 340 Euro ab dem Frühjahr 2024 zufrieden gibt, kann notleidenden Kommunen schlecht mehr abverlangen. Von daher ist es schon ein Erfolg, dass diese 340 Euro im öffentlichen Dienst ein Mindestbetrag sind. Viele Beschäftigte erhalten mehr. Aber eben auch erst nächstes Jahr.

Selbst wenn Einmalzahlungen generell kein Ersatz für Lohnerhöhungen sein können, die sich dauerhaft positiv auf die Gehaltsentwicklung auswirken, helfen sie angesichts drastisch gestiegener Lebenshaltungskosten doch ungemein.

Aber wer vorher tönt, wie das Verdi getan hat, dass eine Inflationsausgleichsprämie nur Ergänzung zu einer absolut unverzichtbaren Lohnerhöhung sein kann, der darf dann nicht vollständig auf eine Gehaltserhöhung in diesem Jahr verzichten. Bis zum 12. Mai befragt Verdi nun die betroffenen Mitglieder, was sie von dem Tarifabschluss halten. Die Begeisterung dürfte sich in Grenzen halten.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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