App „Rad+“ der Deutschen Bahn: Abstrampeln für 60 ml Flüssigseife

In Berlin können FahrradfahrerInnen jetzt auf ihren eigenen Wegen per App Kilometer sammeln. Es winken halbseidene Preise.

Smartphone zeigt App "DB Rad+"

Kostet nix, bringt auch nicht viel: App DB Rad+ Foto: IMAGO / Rüdiger Wölk

BERLIN taz | Was macht die DB, wenn die Pünktlichkeit ihrer Züge mal wieder auf der Strecke bleibt? Sie promotet ausnahmsweise das Fahrrad: Auf dem machen alle ihr Tempo schließlich halbwegs selbstbestimmt. Wie genau das Ganze funktioniert, erinnert dann aber doch wieder stark an andere PR-Ideen der Bahn.

„Wir wollen Menschen überzeugen, nachhaltig unterwegs zu sein“, verkündet Bernd Koch, Vorstandschef der DB Station & Service, am Donnerstag im Bahnhof Südkreuz. Bahn und Fahrrad, so Koch, seien die „optimale Kombination“. Und weil Appelle selten reichen, soll sich der Umstieg vom Auto ab sofort „ganz konkret lohnen“.

Und das geht so: Wie schon in einigen anderen Städten ist jetzt auch in Berlin die App „DB Rad+“ freigeschaltet. Ihr Prinzip: Das Fahren auf dem Drahtesel soll durch das Vorhalten digitaler Möhrchen attraktiver werden – die bestehen aus Rabatten für virtuelle und physische Shops.

Heatmaps für den Senat

Wird die App vor Besteigen des Sattels aktiviert, erkennt sie die Fortbewegungsart und registriert die zurückgelegten Kilometer. Völlig unbedenklich, versichert Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Donnerstag: „Sie müssen sich nicht registrieren, es werden nur anonymisierte Verkehrsdaten erhoben.“ Aus denen kann die Verwaltung „Heatmaps“ erstellen, die die Attraktivität von Routen zeigen und für die Planung von Infrastruktur wertvoll sind.

Auch deshalb wohl war Jaraschs Haus bereit, zu der bis Ende 2024 laufenden Aktion 300.000 Euro zuzuschießen – drei Viertel davon kommen aus dem Förderprojekt „Appgestützte Fahrraddatenakquise und Incentivierung des Fahrradfahrens für Berlin“ des Bundesverkehrsministeriums. Von dem Geld wird die App betrieben und beworben, es werden aber auch „Partner akquiriert“, bei denen die Kilometer umgewandelt werden können.

In was, fragen Sie? Nun: Die DB selbst gibt Vergünstigungen auf Accessoires aus ihrem Online-Shop. Für 100 geradelte Kilometer gibt es einen Gutschein im Wert von 5 Euro, der ab einem Einkauf von 25 Euro einlösbar ist. Die Fußmatte mit dem ICE 4 (24,90 Euro) reicht da leider noch nicht, aber Sie können ja das Magnetpuzzle DB Streckennetz (11,90 Euro) drauflegen.

Interessanter ist da schon das 5-Euro-Guthaben für die Nutzung eines Call-a-Bike-Leihrads (auch für 100 km Strampeln). Gutscheine für Bahnfahrten – eigentlich naheliegend – verspricht das System zwar, sie sind aber (noch) nicht verfügbar. Da muss man sich mit anderen Goodies trösten: einem Gratis-Cookie bei „Bolinas Kaffee & Laden“ in Tempelhof (für 35 km) oder einer Dr. Bronner Fair Trade Flüssigseife bei „Supermarché Oekofaire Mode“ in Kreuzberg (60 ml, für 60 km).

Lastenräder ab 0 Kilometer

Schon wieder witzig eigentlich, wie die vom ADFC betriebene „fLotte“ das DB-Marketing kapert: Auch das kommunale Lastenrad-Sharingsystem hat es irgendwie in die Rabattliste der App geschafft, mit einem entscheidenden Unterschied allerdings: Die Miete kostet nichts und ist auch schon ab 0 km zu haben.

Ein ganz besonderes Versprechen hat die Bahn noch im Ärmel: Wenn ganz viele Menschen die „Rad+“-App nutzen und ganz viele Kilometer sammeln, zieht der Konzern die Spendierhosen an. Dann gibt es Extras für alle, zum Beispiel eine neue Fahrradreparaturstation an einem Bahnhof oder einen „Fahrradwaschtag“. Was, wann und wo, weiß man aber noch nicht genau. Alle Wetter, die Bahn.

PS: Dass die App nur Fahrradfahrten als solche erkennt, ist übrigens bloß Wunschdenken – der Autor jedenfalls hat nach dem Termin gleich zwei Kilometer beim U-Bahnfahren gesammelt. Werden nicht eingelöst, versprochen!

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