Die Wahrheit: Schrecken des Berufsverkehrs

Mit einem Lächeln Autofahrer ärgern? Das geht doch am besten mit den vielgeschmähten E-Rollern, die neuerdings überall verboten werden sollen.

Als ich gedankenverloren aus unserem Haus auf den Bürgersteig trat, wäre ich fast in etwas hineingetreten, das direkt vor der Tür stand. Etwas Großes, Grünes, Sperriges … ein E-Roller. Fassungslos starrte ich das Ding an. Wer stellt so etwas direkt vor einer Haustür ab? Zumal: vor meiner!

Ständig stehen diese E-Roller im Weg. Nein, stimmt gar nicht – sehr oft liegen sie auch im Weg. Weshalb sich allenthalben sehr über E-Roller ereifert wird. Paris will sie aus der Stadt schmeißen, in Berlin ist laut Umfragen eine Mehrheit der Bevölkerung für ein Verbot. Kein Wunder, wird es doch befeuert vom Berufsstand der Kolumnisten, Satiriker und Stand-up-Comedians, die nach der Eröffnung des Hauptstadtflughafens BER in eine tiefe Sinnkrise gestürzt waren. Worüber noch Witze machen für den ganz billigen Applaus?

Die E-Roller brachten Erlösung. Endlich wieder etwas, bei dem man nur das Wort erwähnen und dazu böse gucken muss, schon schüttet sich das Publikum aus vor Lachen in der konsensualen Gewissheit, guten Gewissens auf etwas herabblicken zu können. Genau jenes Publikum übrigens, das zu einem beachtlichen Teil mit dem Auto zur Show gekommen ist und, weil natürlich kein Parkplatz zu finden war, schnell irgendwo in der zweiten Reihe oder auf dem Radweg geparkt hat, um nicht zu spät zu kommen und dann womöglich die ersten E-Roller-Witze zu verpassen.

Schließlich ist die Lage eindeutig. E-Roller nehmen uns in den Städten den Platz weg. Wo zehn davon herumstehen, könnte ohne Weiteres ein Auto parken! Außerdem gefährden die E-Roller-Fahrer, die oft über Bürgersteige oder Fahrradwege sausen, andere Verkehrsteilnehmer. Und Gefährte, die andere Verkehrsteilnehmer gefährden können, werden in Deutschland traditionell geächtet.

Dann noch die ultimative Provokation: Offensichtlich macht das E-Roller-Fahren den E-Roller-Fahrern Spaß. Viele lächeln dabei sogar! Das ist dem Rennradradler, der missmutig aus seiner Allwetterjacke blickt, oder dem Autofahrer, der sich mit seinem SUV durch das unwegsame Großstadtgelände kämpfen muss, nicht zuzumuten. Zudem sind viele E-Roller-Fahrer jung, touristisch oder migrantisch. So weit kommt das noch, dass die einfach so in ihrer Freizeit, oder weil sie eh nichts Ordentliches machen, grinsend durch unseren heilig-ernsten Berufsverkehr brettern.

Ich bedaure ja ein bisschen, dass ich mich zu alt, zu unsportlich und zu schwer fühle, um E-Roller zu fahren. Sonst würde ich mir liebend gern mal so ein Ding ausleihen, ein bisschen damit über die Bürgersteige rollen, um übellaunige Fußgänger zu erschrecken, hier und da einem Kampfradler den Weg schneiden, auf der Straße schnell ein paar der im Stau stehenden Autofahrer überholen und ihnen neckisch durchs Seitenfenster zuwinken und das Ding schließlich irgendeinem schimpfenden Mümmelgreiskolumnisten oder -satiriker direkt vor die Haustür stellen. Na ja, vielleicht im nächsten Leben.

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Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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