Neues Album von Lana del Rey: Der Tunnel unterm Ocean Boulevard
„Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd“ heißt das lebenshungrige Album von Lana Del Rey. Ihre Songs gehen nun auch in Richtung Jazz.
So viel Lana Del Rey gab es noch nie. Rund 77 Minuten singt die US-Künstlerin auf ihrem neuen Album „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd“ über Gott und die Welt. Allein der Bandwurm-Albumtitel sprengt den üblichen (Mainstream-)Rahmen. Mehr als drei Wörter werden eigentlich nicht so geschätzt, gewollt sind eher knackige Slogans wie Pinks „Trustfall“. Doch Lana Del Rey, geboren 1985 in New York als Elizabeth Woolridge Grant, setzt sich gern über Marketingtrends hinweg.
Genauso gern sagt sie sich von konventionellen Songstrukturen, also Strophe–Bridge–Refrain, los. Die Chanteuse lehnt sich inzwischen an die Freigeistigkeit des Jazz an und flüstert auch gern beim Singen. Besonders radiotauglich sind die neuen Songs nicht herausgeputzt.
Am ehesten noch geht „Let The Light In“, ein Duett mit Schmusefolky Father John Misty, mit seidig weichem Streicherarrangement als Ohrwurm durch. Ein weiteres Duett leistet sie sich in „Margaret“, dafür hat sie Bleachers alias Jack Antonoff dazugebeten.
Kein Wunder, dass hier das Pendel in Richtung Romantik ausschlägt. Der Song ist Jack Antonoffs Verlobter Margaret Qualley gewidmet, es könnte ohne Weiteres das Hochzeitslied des Paares werden – schließlich spricht aus ihm der Glaube an die große Liebe.
„Wann bin ich an der Reihe?“
Im Titelsong „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd“ fragt sie schon mal sehnsüchtig: „When’s it gonna be my turn?“ Dann wieder zweifelt sie an ihrem eigenen Traum, nur wenig später wird er nämlich mit den Worten: „Fuck me to death, love me until I love myself“ entmystifiziert.
Lana Del Rey:„Did you know that there's a tunnel under Ocean Blvd“(Verve/Universal)
In der Realität ihrer Songs, wie in einer ewig fortgeführten TV-Serie, ist das so heiß ersehnte Happy End eben schwer vorstellbar. Die 37-Jährige bleibt gedanklich angespannt. Selbst wenn die Hörer:innen eingangs leichtfüßig mit Del Rey in „A&W“ durch angenehme Klavierklänge und fein austarierte akustische Gitarrenpassagen flanieren, ahnen sie wohl schon: Da braut sich was zusammen.
Mit den sinister pluckernden Synthesizern tut sich in diesem 7-minütigen Stück Abgründe auf. Forciert durch Sätze wie „No, this is the experience of bein’ an American whore“. Sie erzählen von einer flüchtigen Hotelbekanntschaft und Sex auf dem Fußboden.
Szenenwechsel: „Judas Smith Interlude“ soll die Predigt eines Pastors sein. Er wettert gegen Lust und propagiert Liebe. Man hört die Sängerin lachen. Findet sie es lächerlich oder schwingt da Zustimmung mit?
Eindeutiger ist das Auftaktstück „The Grants“: Die Musikerin erinnert sich an das Lächeln ihrer Großmutter. Und an das erste Kind ihrer Schwester, sogar Country-Superstar John Denver taucht auf. Auf diese Weise hält Lana Del Rey in ihren Songs Menschen für die Ewigkeit fest, die ihr etwas bedeuten. Musikalisch bedient sie sich dafür bei Gospel und Soul.
Die Ballade „Candy Necklace“, die der US-Musiker und Komponist Jon Batiste am Klavier begleitet, beklagt die Rücksichtslosigkeit eines Mannes, von dem Lana Del Rey geradezu besessen ist. Sie sitzt auf dem Sofa, geplagt von Selbstmordgedanken. Erschöpft räumt sie ein: „I do feel like it’s you the one who is bringin’ me down“.
Abermals droht sie an Verzweiflung zu ersticken – wie 2012 auf dem Debüt „Born To Die“. Seinerzeit warfen ihr Kritiker:innen vor, ihr Frauenbild sei konservativ. Im 21. Jahrhundert hängt das Glück einer Frau nicht mehr davon ab, ob sie einen (Ehe-)Mann findet. Vielleicht wäre diese Erkenntnis der Startpunkt für Lana Del Reys zehntes Album.
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