Nato-Beitritt Finnlands: Nur verhaltene Freude in Brüssel

Finnland ist nun 31. Mitglied der Nato. Generalsekretär Jens Stoltenberg sieht die Allianz dadurch gestärkt. Doch was ist mit Schwedens Beitritt?

Pekka Haavisto reicht Antony Blinken die Hand

Mitglied 31: Finnlands Außenminister Haavisto, Nato-Chef Stoltenberg und US-Außenminister Blinken Foto: Johanna Geron/ap

BRÜSSEL/STOCKHOLM taz | Bisher wehten 30 Flaggen vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel. Nun sind es 31: Am Dienstag wurde Finnland offiziell in das Bündnis aufgenommen. Als Willkommensgruß wurde am Nachmittag bei strahlendem Sonnenschein und steifer Brise die finnische Flagge gehisst. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von einem historischen Ereignis. „Die Nato wird stärker und Finnland sicherer“, erklärte der Norweger, der schon lange für die Norderweiterung wirbt. „Putin wollte weniger Nato, nun bekommt er das ganze Gegenteil“, sagt er in Richtung Kremlchef.

Doch rechte Freude kam trotz der Flaggenzeremonie und der großen Worte nicht auf. Denn ein weiterer Bewerber aus dem hohen Norden fehlt: Schweden wollte gleichzeitig mit Finnland zur Nato stoßen, der Beitritt wird aber immer noch durch die Türkei und Ungarn verzögert. Die Norderweiterung ist deshalb unvollendet. Zudem wird sie durch den Krieg in der Ukraine und Drohungen aus Moskau überschattet. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach von einem „Angriff auf unsere Sicherheit und die nationalen Interessen Russlands“ und kündigte Gegenmaßnahmen an.

Bisher gibt es zwar noch keine Anzeichen für einen russischen Aufmarsch im hohen Norden. Fast alle Kräfte sind in der Ukraine gebunden, Nato-Militärs trauen Russland derzeit auch keinen Angriff auf Finnland zu. Allerdings wird die Reibungsfläche durch den Beitritt wesentlich größer. Finnland verfügt über eine 1.300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland. Die Ostflanke der Nato wächst damit auf mehr als das Doppelte. Darauf angesprochen, zuckte Stoltenberg mit den Schultern. Finnland habe seine Grenze schon bisher gut verteidigt, sagte er.

Allerdings bleibt unklar, warum eine längere Landgrenze zu Russland mehr Sicherheit schaffen soll. Stoltenberg blieb auch eine Antwort auf die Frage schuldig, ob die Nato künftig Waffen oder Truppen in Finnland stationieren werde. Dies müsse die Regierung in Helsinki entscheiden. Dort ist die Aufnahme in die Allianz am Dienstag zwar nicht groß gefeiert, aber dennoch breit gewürdigt worden. Von einem „historischen Tag“ sprachen nahezu alle Medien des Landes. Da sollte es auch wenig stören, dass es gleichzeitig einen Cyberangriff auf die Internetseite des Reichstags in Helsinki gab. Ein Zufall? Vermutlich nicht. Die Freude über den Beitritt schmälerte das aber nicht.

Stoltenberg zeigte sich optimistisch

Anders die Stimmung im Nachbarland. „Die blau-weiße Fahne wird heute vor dem Nato-Hauptquartier gehisst, und wir dürfen nur zuschauen, hieß es wehmütig in der Tageszeitung Svenska Dagbladet. Und in einer Analyse zu diesem Thema meint das konservative Blatt, dass diese Reihenfolge – Finnland jetzt, Schweden irgendwann im Sommer oder Herbst – doch ganz gerechtfertigt sei. Finnland sei die ganze Zeit über schon bereit gewesen, habe wachsam beobachtet, was sich jenseits seiner Grenze getan habe. Schweden dagegen sei von Anfang an hinterhergehinkt.

Dass ein türkischer Präsident nach fast einem Jahr seine Blockadepolitik nur gegenüber Finnland aufgegeben hat und „Schweden nun allein in Erdoğans Wartezimmer sitzt“, so die Stockholmer Dagens Nyheter, dafür geben viele Analysen der Regierung in Stockholm einen Großteil an Schuld. Es habe die Überzeugung geherrscht, „das werden die USA schon richten“.

In Brüssel gab sich Nato-Generalsekretär optimistisch, dass auch Schweden bald nachziehen wird. „Ich bin zuversichtlich, dass das passieren wird“, sagte er. Er habe sich in der vergangenen Woche mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan getroffen. Er habe zugesichert, dass es schon bald Fortschritte geben werde. In Brüssel hofft man, dass Erdoğan rechtzeitig zum Nato-Gipfel im Juli in Vilnius den Weg auch für Stockholm freimachen wird.

Länger warten muss auf jeden Fall noch die Ukraine. Stoltenberg sagte dem umkämpften Land zwar weitere Unterstützung zu. Den Beitritt erwähnte er aber mit keinem Wort. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba macht indes weiter Druck. Nachdem er den „finnischen Freunden“ zum Beitritt gratuliert hatte, erklärte er, auch die Ukraine habe das Ziel, vollwertiges Mitglied der Allianz werden.

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