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Joe Chialo soll Kultursenator werdenDer Beste für Berlin?

Ein CDU-Mann wird wohl bald für die Hauptstadtkultur zuständig sein. Der Musikmanager muss sich besonders für die freie Szene einsetzen.

Disco-Typ oder Turnschuh-Senator: Chialo muss sich beweisen Foto: Philipp Znidar/dpa

Dürre sechs Seiten ist das Kapitel „Kultur und Medien“ im Koalitionsvertragsentwurf stark, auf den sich CDU und SPD aktuell verständigt haben. Laut Titel „Das Beste für Berlin“, wird dieses Papier die Grundlage für die nächsten drei Jahre gemeinsamer Regierung bilden – sofern nichts mehr dazwischenkommt. Unbestrittene Siegerin der kürzlichen Wiederholungswahl, wird die CDU dabei auch den Kultursenator stellen, der nun Klaus Lederer (Linke) ablösen soll.

Joe Chialo, 1970 in Bonn als Kind tansanischer Diplomaten geboren, ist ein politisch unbeschriebenes Blatt – was mit Blick auf die Klüngel-Historie, die der Berlin-CDU anhängt, eine gute Nachricht sein könnte. Anfang der 1990er-Jahre sang er bei den fränkischen Funk-Metallern Blue Manner Haze. Ausgerechnet ein Major-Plattenvertrag beschleunigte das Ende der Indie-Band.

Auf seinem Instagram-Account empfiehlt er sich heute gut-konservativ als „Familienvater“, „Unternehmer“ und, ja, als „Christdemokrat“. Im „Zukunftsteam“ des damaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet musste Chialo schon deswegen auffallen, weil man so viel Diversität von den Unionsparteien sonst eher nicht kennt.

Doch fiel der selbsterklärte „Afropäer“, der auf seinem Label Afroforce1 „afrikanisches Talent“ in Form zweier musikalisch sehr weich gespülter Acts aus Südafrika vermarktet, als Direktkandidat für die CDU-Spandau-Charlottenburg bei den Wählern durch. Wie er den im Vertragsentwurf versprochenen „Aufbruch für die Stadt“ stemmen will, bleibt abzuwarten.

Lederer traf den Ton

Dagegen galt Lederer parteiübergreifend als einer der beliebtesten Hauptstadtpolitiker. Als Senator für Kultur und Europa war er weithin geachtet in der vielfältigen und tief von „high“ nach „frei“ gestaffelten Berliner Kulturszene. In seiner nun abrupt beendeten Amtszeit steigerte sich der Kulturetat auf stolze 900 Millionen Euro.

Zudem traf Lederer mit seiner in den Pandemie-Jahren entschlossenen Förderpolitik den Ton nicht nur der freien Szene. Einer der letzten großen Erfolge Lederers: Er hatte mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) diskret am teuren Rettungsplan mitgestrickt, der den abrissbedrohten Hamburger Bahnhof nunmehr dauerhaft für den Betrieb als Museum für Gegenwart sichert.

Doch ist das nur ein kleines Teilstück der riesigen Dauerbaustelle Stiftung Preußischer Kulturbesitz. An der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen SPK mit Publikumsmagneten wie dem nun auf Jahre hin geschlossenen Pergamonmuseum hat Berlin als Sitzland ein besonderes Interesse. An dem Beispiel wird deutlich, dass es in der Berliner Kulturpolitik einerseits um populäre Themen, um Ateliernot, Clubsterben, kreative Freiräume und drohende Verdrängung geht.

Andererseits überlappen hier gerne mal Zuständigkeiten des Bundes mit solchen des Landes (und der Stadt). Da geht es um Administration, viel Geld, aber auch um programmatische Weitsicht und historische Verantwortung. Die seit Jahren diskutierte, durch die SPK-Führung verschleppte Reform der Preußenstiftung gehört hier ebenso dazu wie das von Beginn an verkorkste Mehrzweck-Humboldt Forum oder – andere Ecke – das Elend deutscher Filmförderung.

CDU stand einst für Hochkulturkompetenz

Da mag so mancher heimlich aufatmen, dass der Linke endlich weg ist. Schließlich stand die CDU einst insbesondere für Hochkulturkompetenz. Die wäre dringend gefragt, wo es etwa um die Staatsoper-Personalie Daniel Barenboim geht, nachdem sich der 81-jähirge Stardirigent gesundheitsbedingt Ende Januar von seinem Posten als Generalmusikdirektor zurückgezogen hat.

Neben Fachkompetenz braucht es aber auch politische Power, wenn es darum geht, die Rolle Berlins als „Bundeskulturhauptstadt“ mit internationaler Strahlkraft gegenüber den seit der Zeit Monika Grütters’ als Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) massiv gewachsenen kulturpolitischen Ambitionen des Bundes zu stärken.

Immerhin verspricht das Koalitionspapier, das Humboldt Forum als „eigenständige Institution“ halten zu wollen, zugleich aber die weitere, bisher glücklose Beteiligung Berlins zu „prüfen“. Das Thema hatte allerdings schon Lederer ins Spiel gebracht. Wie drängend aber ist es, „eine repräsentative Straße bzw. einen Platz nach Helmut Kohl zu benennen“?

Für die SZ der „Disco-Typ“, laut Berliner Morgenpost ein „Turnschuh-Senator“, mag Chialo der Berliner CDU nun ein medienwirksam divers-weltoffenes Image geben.

Als Unternehmer in Sachen Kulturindustrie mag er tatsächlich ein Händchen für die überparteilich gewollte, neoliberale Transformation spezifischer „Künste“ in eine anwendungsflexible „Kultur- und Kreativwirtschaft“ haben – wie einst Kultur-Staatssekretär und Ex-Musik-Manager Tim Renner, dem die Stadt zuvorderst den Großkurator Chris Dercon auf dem Intendantenposten der Volksbühne verdankte. Mit deren Folgen kämpft die Bühne am Rosa-Luxemburg-Platz bis heute.

Kreativwirtschaft als Allheilmittel?

Ohnehin ist in Frage zu stellen, inwieweit das Konzept „Kreativwirtschaft“ als Allheilmittel taugt. Vor allem, wenn laut Vertragsentwurf bestehende Programme – etwa die landeseigene und jüngst seitens des Berliner Berufsverbands Bildender Künstler (bbk) in die Kritik geratene Kulturraum gGmbH, die Räume zur kreativen Nutzung sicherstellen soll – erst einmal nach Kräften „evaluiert“ werden? Kultureller „Aufbruch“, eine kulturpolitisch tragfähige Vision für die Standorte Tempelhof oder ICC? Kein Wort davon im Koalitionspapier!

Mal sehen, was gestandene Bildungsbürger und hartgesottene Berghain-Fans jeweils so zur Politik eines Mannes sagen werden, der im Hauptjob bisher – als Söldner für den Musik-Giganten Universal – Ben Zucker, die Kelly Family und andere solcher Schlagerkaliber gemanagt hat.

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