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Die Schlichtung soll es richten

Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und der Kommunen sind gescheitert. Gewerkschaften beklagen ein zu geringesArbeitgeberangebot

Demo bei einer Protestaktion von Verdi in Potsdam am 27. März Foto: Fo­to: ­Carsten Koall/dpa

Von Pascal Beucker

Als Verdi-Chef Frank Werneke und sein Beamtenbund-Pendant Ulrich Silberbach kurz nach Mitternacht am Donnerstag in Potsdam vor die Presse traten, war ihnen ihr Frust anzusehen. Seit Montag hatten sie versucht, mit den Un­ter­händ­le­r:in­nen des Bundes und der Kommunen zu einem Kompromiss im Tarifkonflikt um die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu kommen. „Hinter uns liegen drei wirklich intensive Tage“, sagte Werneke müde. „Am Ende mussten wir feststellen, dass die Unterschiede nicht überbrückbar waren.“

Damit sind die Verhandlungen für die über 2,4 Millionen Tarifbeschäftigten der kommunalen Arbeitgeber und 134.000 des Bundes erst einmal gescheitert. Nun müssen zwei unabhängige Schlichter versuchen, eine Lösung zu finden. Um ihre Aufgabe sind sie nicht zu beneiden: Auch wenn der Bund und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände in der letzten von drei Verhandlungsrunden ihr bisheriges Angebot nachgebessert haben, gehen die Vorstellungen noch immer weit auseinander.

„Wir wären bereit gewesen zu einer linearen Entgelterhöhung von 8 Prozent – und das mit einem Mindestbetrag von 300 Euro“, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die Verhandlungsführerin des Bundes, nach dem Scheitern der Gespräche. „Darüber hinaus wären wir zu steuerfreien Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 3.000 Euro bereit gewesen – zum Ausgleich der hohen Inflation.“ Damit sei die Arbeitgeberseite den Gewerkschaften „sehr weit entgegengekommen“.

Wie auch die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), die Verhandlungsführerin der Kommunen, erläuterte Faeser allerdings nicht die Details ihres Angebots, das bemerkenswerterweise nicht schriftlich vorgelegt und in den Beratungen auch nur als „Denkmodell“ bezeichnet wurde. Wie die taz aus Verhandlungskreisen erfuhr, sah es so aus: Geboten wurde eine Gehaltserhöhung um 4 Prozent, mindestens 180 Euro monatlich ab Oktober, im Juni 2024 sollten nochmal 3 Prozent, mindestens 120 Euro, hinzukommen. Die steuerfreie Inflationsausgleichsprämie solle gesplittet gezahlt werden: insgesamt 2.000 Euro dieses Jahr, 1.000 im nächsten. Unklare Aussagen gibt es über die anvisierte Laufzeit des Tarifvertrags: entweder 24 oder 27 Monate.

Auf jeden Fall ist dieses Angebot ziemlich weit entfernt von der Gewerkschaftsforderung nach einer Tariferhöhung um 10,5 Prozent, mindestens jedoch 500 Euro alleine in diesem Jahr. „Wir können nicht nachvollziehen, dass die Gewerkschaften hierauf nicht eingegangen sind“, sagte Welge gleichwohl. „Dass eine Einigung nicht zustande kam, werten wir auch als Warnzeichen für eine funktionierende Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften.“

Demgegenüber beklagte Beamtenbund-Chef Silberbach, Bund und Kommunen sähen die Sorgen und Nöte ihrer Beschäftigten nicht. „Und sie schätzen Frustration und Entschlossenheit der Kolleginnen und Kollegen falsch ein“, so Silberbach. „Wir müssen Reallohnverluste verhindern und brauchen einen nachhaltigen Inflationsausgleich.“ Das sei von Anfang an klar gewesen. „Nach jetzigem Stand der Dinge sind die Arbeitgebenden dazu nicht bereit“, sagte Silberbach. Er erkenne zwar an, dass es „Bewegung von beiden Seiten“ gegeben habe, sagte Werneke. Letztlich seien die Arbeitgeber nicht bereit gewesen, den Beschäftigten beim Mindestbetrag ausreichend entgegenzukommen. „Die Vorschläge der öffentlichen Arbeitgeber hätten nicht sichergestellt, dass die Kaufkraft insbesondere für die unteren und mittleren Einkommensgruppen erhalten bleibt“, so Werneke.

„Wir werten es als Warnzeichen für eine funktionierende Sozialpartnerschaft mit den Gewerkschaften.“

Verhandlungsführerin Karin Welge (SPD)

Nun soll es die von den Arbeitgebern angerufene Schlichtung richten. Als unabhängige Schlichter im Gespräch sind der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und der frühere Bremer Finanz-Staatsrat und Verwaltungswissenschaftler Hans-Henning Lühr (SPD). Der Zeitplan ist straff: Nach der Anrufung der Schlichtung bleibt eine Woche bis zur Konstituierung der Schlichtungskommission. Dann bleibt eine weitere Woche, in der die Kommission eine Empfehlung ausarbeiten soll. Mitte April könnten dann die Streitparteien darüber beraten, ob sie dieser folgen wollen. Während der Schlichtung gilt eine Friedenspflicht, es darf also in dieser Zeit nicht gewarnstreikt werden.

Kommt es nicht zu einer Einigung, könnten die Gewerkschaften in die Urabstimmungen gehen. Zum letzten Mal war das 1992 der Fall, die Folge war ein elftägiger flächendeckender Streik, der das Land weitgehend lahmlegte. Ab Anfang Mai wären unbefristete Streiks möglich. Angesichts der bisherigen Ignoranz der Arbeitgeber gebe es eine große Streikbereitschaft, zeigte sich Silberbach überzeugt. Noch ist es nicht soweit.

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