Britische Krimi-Serie „The Gold“: Die verlorene Ehre von Frau Cäsar
Die BBC-Serie „The Gold“ zitiert ein Cäsar-Dilemma und fragt, ob die Polizei nicht mehr über jeden Verdacht erhaben ist. Das hat Folgen.
Cäsars Frau muss über jeden Verdacht erhaben sein!“ Mit diesen Worten soll Julius Cäsar erklärt haben, warum er die Scheidung von seiner Frau Pompeia eingereicht hatte. Sie war in einen Gesellschaftsskandal geraten, der seine Karriere und Reputation gefährdete. Der Satz kann auch heute auf Ehepartner und Kinder von Politikern angewendet werden, die sich korrupt oder amoralisch verhalten. Präsident Bidens missratener Sohn Hunter wäre hierfür ein Paradebeispiel. Er ist sowohl in dubiose Geschäfte wie auch in ungute Sexgeschichten verwickelt.
Eine etwas andere Auslegung des Satzes erzählt gerade die BBC-Serie „The Gold“. Sie zitiert das Cäsar-Dilemma und fragt: Wenn die Polizei nicht mehr über jeden Verdacht erhaben ist, welchen Schaden nimmt dann der Rest unserer Gesellschaft? Die Antwort ist alles andere als beruhigend.
„The Gold“ beruht auf einem wahren Kriminalfall von 1983. In der Nähe des Londoner Flughafens Heathrow erbeuteten Kriminelle Goldbarren im heutigen Wert von 100 Millionen Euro. Nicht der Überfall steht im Mittelpunkt der Serie, sondern die Frage, wie dieses Gold anschließend gewaschen wurde und wer daran verdiente. Neben Kriminellen aus der Unterschicht waren an der Geldwäsche auch Mitglieder der Oberschicht beteiligt: Banker, Makler und ein Rechtsanwalt. Zwei Welten trafen aufeinander und verstanden sich gut. Bis die Situation eskalierte.
„The Gold“ ist eine fulminant erzählte Geschichte, die nicht nur die Auswüchse der britischen Klassengesellschaft in den Blick nimmt, sondern auch zeigt, wie viele korrupte Polizisten es damals gab. Das ist insofern aktuell, da die englische Polizei gerade mal wieder ein Imageproblem hat. Betroffen ist die Metropolitan Police (Met), die Londoner Polizeibehörde. Bisher spielten bei Polizeiskandalen immer Schmiergelder die Hauptrolle. Aber dieses Mal geht es noch ein paar Stufen tiefer.
Die Met wird beschuldigt, jahrelang eine große Gruppe von Polizisten gedeckt zu haben, die Sexualstraftaten begingen. Ins Rollen kam die Geschichte während des Corona-Lockdowns 2021: Der Met-Polizist Wayne Couzens gehörte einem Elite-Team an, das für den Schutz der ausländischen Botschaften in London zuständig ist und deswegen Waffen tragen darf (nur ein Teil der englischen Polizei ist bewaffnet).
Man würde annehmen, dass solche Jobs an mental stabile Charaktere vergeben werden. Aber Couzens war schon 2015 als Exhibitionist aufgefallen. Seine Kollegen hatten die Hinweise gegen ihn jedoch nicht weiterverfolgt. Nachdem er dafür 2020 wieder nicht verhaftet worden war, ging er einen Schritt weiter.
Der Met-Polizist, ein Serienvergewaltiger
Im März 2021 vergewaltigte und ermordete er die 33-jährige Sarah Everard auf ihrem Nachhauseweg. Er hatte vorgegeben, sie wegen eines Verstoßes gegen die Coronaregeln zu kontrollieren. Kurz darauf wurde bekannt, dass ein Kollege von Couzens, der Met-Polizist David Carrick, ein Serienvergewaltiger war. Er hatte über 19 Jahre lang Frauen missbraucht und bekannte sich diesen Januar schuldig, 20 Vergewaltigungen begangen zu haben.
Sein Fall machte auch publik, dass mittlerweile 1.000 Anzeigen wegen sexueller und häuslicher Gewalt gegen 800 Met-Beamte untersucht werden müssen. Mehrere Polizistinnen sagten dabei aus, dass Sexismus an der Tagesordnung gewesen sei. Es habe in der Met eine „Kantinenkultur“ geherrscht, in der männliche Kollegen einander deckten.
Es half dem Image der Londoner Polizei sicher auch nicht, dass zeitgleich „The Gold“ anlief. Darin werden wenige Polizisten den hohen moralischen Ansprüchen Cäsars gerecht.
Der einzige Lichtblick der Serie ist ein Kriminalbeamter namens Brian Boyce (gespielt von Hugh Bonneville). Der unbestechliche Boyce existierte wirklich. Er wurde 1983 mit der Untersuchung des Goldraubs beauftragt, eine undankbare Aufgabe. Boyce musste sowohl gegen korrupte Kollegen kämpfen als auch gegen Kriminelle, die den Investment-Boom der 1980er Jahre nutzten.
Ein Teil der Beute floss in die Londoner Docklands, wo gerade Luxusapartments aus dem Boden schossen; ein anderer Teil verlor sich in Panama und Liechtenstein. Das erbeutete Gold tauchte nie mehr auf, aber am Ende bekam Boyce die Männer vor Gericht, die den Überfall ausgeführt hatten. Sie erhielten hohe Haftstrafen und nicht alle starben nach ihrer Entlassung eines natürlichen Todes. Verschiedene Leute hatten noch Rechnungen mit ihnen offen.
Ob die Met es noch einmal schaffen kann, das Vertrauen der Londoner zu gewinnen, ist nach den Skandalen der letzten Jahrzehnte also die entscheidende Frage. Als sie 1829 gegründet wurde, war sie die erste Polizeibehörde der Welt. Vielleicht sollte sie sich an Cäsars Frau und die eigene historische Verantwortung erinnern.
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