Berlinale-Film „Kokomo City“: Näher geht es kaum
Vier Schwarze trans Sexarbeiterinnen aus New York und Georgia sprechen Klartext: D. Smiths Debütfilm „Kokomo City“.
„Es schien alles ganz normal zu laufen. Doch als er sich aufs Bett setzte, bemerkte ich die Riesenknarre neben ihm. Ich drehte durch und schnappte mir die Pistole.“ Liyah erzählt ohne Hemmung, wie ein Kunde sie beinahe zur Mörderin gemacht hätte: Sie hatte in großer Panik die zum Glück ungeladene Waffe mehrmals abgedrückt. Danach gab es Zoff, der Kunde verschwand, schickte aber später noch eine Textnachricht. Am selben Tag hatten sie dann schließlich Sex.
Regisseurin D. Smith zeigt mit ihrem starken Debütfilm, wie sie das Publikum unmittelbar zu fesseln vermag. An ihren rhythmisch geschnittenen Schwarzweiß-Bildern und an dem klugen Einsatz des Soundtracks erkennt man, dass D. Smith auch selbst Musikerin ist. Es ist ihr trotzdem gelungen, aus dem von ihr gedrehten und geschnittenen Dokumentarfilm kein glattes Musikvideo zu machen.
Das liegt vor allem an den Inhalten der Interviews, die Smith mit vier Schwarzen trans Sexarbeiterinnen aus den US-Bundesstaaten New York und Georgia und mehreren Schwarzen Männern geführt hat. Die Nähe ist spürbar, bei Smith, selbst Schwarze trans Frau, fühlen sich die Interviewten wohl, bei ihr können sie offen reden, von humorvollen Momenten zu hautnahen Berichten aus dem Alltag der Sexarbeit bis hin zu grundsätzlichen Identitätsthemen und -fragen.
„Kokomo City“: 24. 2., 18.30 Uhr, Cubix 9, 25. 2., 16 Uhr, Zoo Palast 2
Eine zentrale Frage, die der Film stellt, ist: Warum werden Schwarze trans Frauen in der Schwarzen Hetero-Community, sowohl von cis-Frauen als auch -Männern, besonders stigmatisiert und isoliert? Diese Mentalität vergleicht eine der Protagonistinnen sogar mit der archaischen Sklavenmentalität der Weißen, als seien trans Frauen minderwertige Menschen, und das innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft.
Sie argumentiert weiter, dass viele alleinerziehende Mütter einer trans Frau sich gleich zweimal von einem Mann verlassen fühlen: erst von dem Vater ihres Kindes und dann nochmals vom eigenen Sohn. Deshalb würden sie oft ihre trans Töchter verstoßen.
Auch Männer kommen zu Wort. Die Anziehung für trans Frauen sei ein sehr großes Tabu, „uns wurde Fortpflanzung beigebracht“, sagt einer der Interviewten. Der erfolgreiche Musikproduzent Michael Carlos Jones, alias „Lø“, der sich zu Beginn des Films als taffer Hetero-Ladies Man bezeichnet, wirkt in seiner Ehrlichkeit entwaffnend und wird seine zunächst ablehnenden Ansichten im Laufe des Films ändern. So etwas gelingt in einem Dokumentarfilm selten.
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