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Transformation in der BundesligaDie Tradition guter Arbeit

Sorry, Köpenick, aber der FC Bayern wird ganz bestimmt wieder Meister. Und doch tut sich etwas im oberen Drittel der Tabelle.

Traditionell gut: Unions Urs Fischer lacht mit Christian Streich Foto: Fotostand/imago

D a ja morgen der deutsche Immer-Meister FC Bayern beim französischen Immer-Meister FC Katar antritt, ist ein angemessener Zeitpunkt, um zu fragen, was aus dem Werte-, Werteverfall- und Antikapitalismus-Gestöhne geworden ist, das die jüngste Fußball-WM begleitet hat. Von moralisch grundierten Fernsehboykotten des Champions-League-Achtelfinales ist bisher nichts bekannt, die Fragen drehen sich eher darum, wer von den drei sich zu 100 Prozent im Besitz der Katar Holding befindlichen Superweltstars (Messi, Mbappé, Neymar) spielen kann und wer nicht.

Das heißt nicht, dass die zunehmende Entfremdung mancher Stakeholder des Fußballs, vulgo: Hardcorefans, gestoppt wäre, es heißt aber schon, dass die Spiele weitergehen müssen. Auch und besonders für die, deren Herz sehr stark daran hängt. Was sollen die denn sonst tun und sprechen und fühlen?

Jedenfalls werden in der Fußballsprechbranche im Moment wieder die rituellen Rosenkränze runtergerasselt, mit denen jemand anders als der FC Bayern als Meister herbeigebetet werden soll. Womöglich gar ein Team aus einem establishmentwiderständigen Dorf im Osten des Landes, das selbst von Berlin aus kaum einer jemals bereist hat: Köpenick oder so.

Träumt weiter!

Dream on, kann ich da nur sagen, was sich überhaupt nicht gegen Union richtet, sondern sich auf die Verhältnisse bezieht. Die sind so, dass die Gründung der Champions League vor 30 Jahren zu einer eklatant zunehmenden Ungleichheit geführt hat und dazu, dass Bayern Fuckin' München in der Zeit Milliarden Euro mehr einnahm als alle anderen Bundesligateams. Selbst zum BVB ist der Abstand gewaltig.

Ja, es läuft nicht alles rund bei den Bayern, aber selbst in dieser Phase ist es erschütternd zu sehen, wie andere Teams den Münchner Kombinationen hinterherhecheln und fast immer ein mindestens gleich guter, wenn nicht noch besserer und noch schnellerer Bayern-Spieler den Ball übernimmt. Bayern Nichtmeister? Die Idee ist gut, aber unrealistisch.

Und dennoch vollzieht sich in der Bundesliga eine Transformation. Es ist eine der oberen Tabellenhälfte, vielleicht sogar des vorderen Drittels. Man kann den Paradigmenwechsel daran erkennen, dass Leute inzwischen ohne Ironie sagen, der SC Freiburg „schwächle“, wenn er mal nicht auf einem Champions-League-Platz steht.

Freiburg und Union sind zwei Unternehmen, die zeigen, dass selbst im globalisierten Aktien-, Unternehmens- und Milliardärsbesitzer-Fußball noch ein gehobener Platz möglich ist, wenn ein paar smarte Leute zusammenkommen und die zentralen Positionen besetzen. Man kann sagen, dass der SC Freiburg der moderne Traditionsclub ist, dessen Tradition eben nicht in einem Meistertitel von 1931 besteht, sondern seit Volker Finke in 30 Jahren schlauer Arbeit.

Was die klassischen Traditionsclubs angeht, so gibt es die, deren Tradition das Lamentieren ist, dass früher alles besser war (HSV, Schalke, Hertha, Stuttgart, Kaiserslautern). Es gibt aber auch die, die sich against all odds tatsächlich runderneuert haben, zum einen ist das Mönchengladbach und zum anderen ein besonders erstaunlicher Fall: Champions-League-Achtelfinalist Eintracht Frankfurt. Früher hätte man das ein Fußballwunder genannt, aber da es so was nicht mehr gibt, muss es gute Arbeit sein.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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3 Kommentare

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  • Treffende Analyse der Bundesligadämmerung, zumindest der Bundesliga inklusive der Bayern. Die Freiburgs und Köpenicks der Liga zeigen was ohne das dicke Portemonnaie möglich ist. Aber man denke nur an die letzten Tage, als die Bayern mal eben mit einem Weltklasseaußenverteidiger namens Cancelo nachoptimiert haben. Dessen Wert dürfte dem Kader von Union Berlin kaum nachstehen oder diesen sogar übertreffen. Da fährt ein Ferrari im Fiatcup mit, fraglich wen das auf Dauer noch interessieren wird. Da haben es die anderen Länder besser, Leicester in England, Lille in Frankreich, Neapel in Italien halten mit ihren Erfolgen die Illusion aufrecht, dass auch die anderen noch eine Chance haben. Hier ist nur noch Bayern. Die Champions League/Super League oder welches Monstrum noch den Hirnen der Großkopferten entspringt wird in den nächsten Jahren den nationalen Ligen den ihnen gebührenden Platz am Katzentisch zuweisen. Das amerikanische System mit geschlossenen Ligen, aber mit sportlichen Ausgleichsmechanismen zur Verhinderung einer langweiligen Dauerdominanz ist hier offenbar nicht zu vermitteln, also feuert ein jeder rein was die Geldkanonen hergeben bis eines Tages der Zuschauer insgesamt genug hat und lieber Tischtennis oder Schwimmen schaut.

  • Yes. “ Die Tradition guter Arbeit“



    Wer? Wenn nicht er - le petit cheflereporter -



    Könnte das beurteilen! Gellewelle - 🙀🥳 - 🤬 -



    Treffsicher wie immer & Tusch - Denn!



    Das wußte schon der olle Busch:

    Daneben

    Stoffel hackte mit dem Beile.



    Dabei tat er sich sehr wehe,



    Denn er traf in aller Eile



    Ganz genau die große Zehe.



    Ohne jedes Schmerzgewimmer,



    Nur mit Ruh, mit einer festen,



    Sprach er: »Ja, ich sag' es immer,



    Nebenzu trifft man am besten.«

    unterm——Kritik des Herzens —-



    www.staff.uni-main.../Letzt/daneben.htm



    Ja unser aller Superhyperpiper - sag nur Lindner usw



    Irgendwann - treffsicher Kerle Kerle - aber sei kluge Perle!



    “Lindner? …der alte Blödmann 🤬 - !"



    Ja. Nicht nur da - ging sei Prognose - treffsicher “in die Hüse!



    Hüse? Hose!“*



    (* Robert Gernhardt;)) - 🙏 -

  • Bei aller Anerkennung für "alternativ" agierende Vereine wie Freiburg und Union Berlin (auch Mainz und Gladbach wären zu nennen) bleibt es doch (vorerst) eine Wunschvorstellung, dass sich an der "Macht"verteilung in der Bundesliga etwas ändert ... warten wir mal das Ende der Saison ab, durchaus wahrscheinlich, dass am Ende auf den ersten vier Plätzen Bayern, Dortmund, Leipzig und Wolfsburg zu finden sind.

    Was dann bleibt, wird lediglich ein Signal an abgewirtschaftete Traditionsvereine wie Kaiserslautern, Schalke, HSV, Nürnberg + Co. sein, dass man auch "anders" dauerhaft (!) Erfolg haben kann und sogar in der oberen Tabellenhälfte der Bundesliga landen kann.



    Hoffnung auf mehr bleibt eine Illusion, da die Wirtschaftskraft von fremdfinanzierten Vereinen wie Wolfsburg, Leipzig, Leverkusen, Hoffenheim einen Wettbewerbsvorteil schaffen, der mittelfristig nicht zu knacken ist.

    Freuen wir uns also noch ein paar Wochen darüber, dass der Verein mit dem kleinsten (!) Stadion der Bundesliga sich in Tabellenregionen tummelt, in die er nicht gehört.