: Zwischen Resignation und Zuversicht
Warum sind sie eigentlich in der Provinz geblieben und was treibt sie an? Die Band Hinterlandgang aus Vorpommernim Gespräch und auf dem taz lab
Interview Aaron Gebler
wochentaz: Herr Münzberg, Herr Himmelspach, Sie leben beide in Vorpommern: Münzberg in Segebadenhau, Himmelspach in Greifswald. Wie blicken Sie und die Menschen aus Ihrem Umfeld auf die Krisen der Zeit?
Münzberg: Vermutlich anders als Menschen in Großstädten. Hier stehen andere Themen im Mittelpunkt. Die Menschen vertreten oft konservative Meinungen. Viele haben den Wunsch, dass alles so bleiben soll, wie es ist.
Himmelspach: Es gibt hier eine andere Lebenswirklichkeit. Das zeigt sich konkret beim Thema Autofahren: Für Großstädter ist oft schwer verständlich, warum die Menschen in der Provinz an ihren Autos hängen. Aber ohne Auto kommst du hier nicht weit.
Sie hätten die Möglichkeit gehabt, in eine große Stadt zu ziehen. Warum sind Sie in Vorpommern geblieben?
Himmelspach: Ich habe hier meine Familie, meine Freunde und fühle mich wohl. Völlig abgeschieden leben wir auch nicht. In Greifswald ist im Gegensatz zu anderen Kleinstädten in Vorpommern in der Vergangenheit vieles richtig gemacht worden. Dadurch haben wir Bewegung in der Region.
Münzberg: Außerdem können wir hier unsere Berufswünsche erfüllen. In Vorpommern gibt es Förderprogramme und damit konkrete Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen. Ich glaube aber auch, dass ich Angst vor einer großen Stadt hatte. Und mit dieser Angst meine ich gar nicht reale Sachen. Ich hatte vielmehr Angst, als Mensch in der Masse unterzugehen.
Ihre Texte strahlen einerseits Resignation aus, konstruieren aber andererseits auch eine Utopie. Wie ist das vereinbar?
Himmelspach: Wir sind da – zusammen mit vielen anderen jungen Menschen in der Region – in einem Zwiespalt: Ich finde es wunderschön, hier zu leben, aber es gibt auch zahlreiche Probleme. Dazu gehört besonders, dass ganz viele junge Menschen gehen. Damit gehen auch die Ideen, der frische Wind für die Gestaltung der Zukunft.
Münzberg: Uns geht es darum, beide Perspektiven zu zeigen. In unseren Songs nutzen wir sprachliche Bilder, mit denen wir destruktive und teils verbitterte Energie verarbeiten wollen, die gelegentlich hochkommt. Allerdings gibt es ja konkrete Gründe, warum wir hier geblieben sind, und da spielen positive Emotionen eine sehr wichtige Rolle.
Sie gehören zu einer Generation, die nach der DDR aufgewachsen ist. In einem Song erzählen Sie, dass die Wende im Hinterland Vorpommerns gescheitert ist. Sind Sie zuversichtlich, dass sich hier was ändern wird?
Himmelspach: Auf jeden Fall. Es bleiben immer mehr Leute hier, die ein Interesse daran haben, etwas zu ändern. Wichtig ist, dass es nicht nur einzelne Leuchttürme in der Region geben darf, an denen sich das kulturelle Leben abspielt.
Münzberg: Und man muss festhalten, dass viele Menschen – gerade ältere Generationen – die Wendezeit noch nicht verarbeitet haben. Daraus entsteht dann Resignation, die sich nicht gänzlich abbauen lässt.
2022 haben Sie das 100 Tage Sommer Open Air in Demmin organisiert. Stoßen Sie bei Ihrem Engagement vor Ort auf Widerstand aus der eher konservativen Bevölkerung?
Himmelspach: Tatsächlich nicht. Der Antrag, den wir im letzten Jahr für unser gerade genanntes Festival gestellt haben, wurde im zuständigen Kulturausschuss parteiübergreifend angenommen.
Albert Münzberg (links), Jahrgang 1998, und Pablo Himmelspach (rechts), Jahrgang 1997, sind die Band Hinterlandgang aus Vorpommern. Sie machen zusammen Rap-Musik mit dem Anspruch, möglichst direkt ihr Denken und Erleben zu vermitteln.
Münzberg: Ich habe das Gefühl, dass man hier einfach froh ist, dass junge Leute die Motivation haben, sich einzubringen. Da geht es gar nicht konkret um unsere Musik, sondern vielmehr darum, dass wir Interesse daran haben, uns mit den Menschen und Problemen in unserer Umgebung auseinanderzusetzen.
Was macht Sie persönlich zuversichtlich?
HImmelspach: Meine Familie, meine Freundschaft zu Albert und ganz viele Begegnungen.
Münzberg: Bei mir kommt noch jugendlicher Leichtsinn dazu und ich versuche, mich nicht zu sehr von dem, was in der Welt passiert, beeinflussen zu lassen.
Die Hinterlandgang kommt zum taz lab und ist ab dem 23. Februar auf Deutschlandtour.
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