„Übermedien“-Recherche zu Ukraine-Projekt: Krach bei „Katapult“

Ukrainische Jour­na­lis­t:in­nen werfen dem Greifswalder „Katapult“-Magazin vor, „benutzt“ worden zu sein. Teils warten sie seit Monaten auf ihr Gehalt.

Portrait

Benjamin Fredrich, Chefredakteur von „Katapult“, trat am Dienstag zurück Foto: dpa/Jens Büttner

BERLIN taz | „Tschüss“, schreibt das Katapult-Magazin am Dienstag auf Twitter und kündigt damit den Rücktritt seines Gründers Benjamin Fredrich an. Keine 24 Stunden vorher hatte das Medienmagazin Übermedien eine Recherche veröffentlicht, die Fredrich und seinem Katapult vorwirft, ukrainische Jour­na­lis­t:in­nen „benutzt“ und „fallen gelassen“ zu haben. Das 2015 gegründete Magazin aus Greifswald ist für seine journalistischen Infografiken und Karten bekannt.

In der Recherche zitiert der Journalist Stefan Niggemeier die ukrainischen Jour­na­lis­t:in­nen Sergey und Roksana Panashchuk. Die beiden waren Teil eines Projekts namens Katapult Ukraine, das Fredrich kurz nach Beginn des Krieges startete und unter anderem Jobs für Ukrai­ne­r:in­nen vorsah. Beide beklagen Ungereimtheiten innerhalb der Redaktion und dass ihnen das Gehalt für Oktober und November nicht ausgezahlt worden sei.

Sergey Panashchuk war für das Büro in Odessa zuständig, Roksana Panashchuk zog nach Greifswald und bildete mit Weiteren das journalistische Team für die Ukraine. Sergey Panashchuk zufolge soll es keinerlei Vorgaben zu Arbeitszeiten, Umfängen oder Themen gegeben haben. Beiden wurde ein Monatsgehalt von 1.650 Euro überwiesen. Direkt nach der Jobzusage soll Sergey Pana­shchuk laut Übermedien eine Mail bekommen haben, in der er darauf hingewiesen worden sei, dass, brauche er nicht das ganze Geld, mehr Leute eingestellt werden könnten.

Nach inhaltlichen Konflikten innerhalb der Redaktion in Greifswald habe Fredrich Roskana Panashchuk Ende Juli mitgeteilt, dass sie Urlaub nehmen solle – im August wurde ihr dann gekündigt. Insgesamt sollen Kommunikation, Feedback und Arbeitsaufteilung generell zu Wünschen übrig gelassen haben. „Benjamin startet Projekte, dann verliert er das Interesse daran, und dann schlafen sie ein“, soll ein Mitarbeiter Panshchuk gegenüber gesagt haben.

Vorwurf: Mangelnde Aufarbeitung

Nun zieht Fredrich Konsequenzen und tritt als Geschäftsführer und Chefredakteur zurück. Laut einem öffentlichen Statement will er mehr Transparenz schaffen, fügt Screen­shots von nachträglich überwiesenen Zahlungen hinzu und zählt die Erfolge von Katapult auf. Ein Beispiel: Unter anderem hätte das Magazin „Helme und schusssichere Westen nach Irpin und Butscha gebracht“. Wann, wie viele, wie oft und wohin genau, steht nicht in Fredrichs Erklärung, auch nicht, woher die Equipments kamen. Auf eine Anfrage der taz reagiert Fredrich nicht.

Übermedien wirft Fredrich nach wie vor mangelnde Aufarbeitung vor. So sei auf Fragen, wer derzeit für das Ukraine-Projekt arbeite, mit einer Liste von Personen geantwortet worden – von denen mindestens eine nicht mehr für das Projekt arbeite und auf noch ausstehende Honorare warte. Was mit dem Geld passiert ist, das für Katapult Ukraine gespendet wurde, bleibt weiterhin offen. Im Statement zu seinem Rücktritt schreibt Fredrich, dass er die Geschäftsführung an Juli Katz und Nasrin Morgan abgibt. In einem Gespräch mit der taz gibt Katz zu, dass das Büro in Odessa gescheitert sei, doch das Ukraine-Projekt nicht.

So sei die Arbeit der Greifswalder Ukraineredaktion „hart“ gewesen, und es sei „unfair, dass sie im Artikel von Übermedien unsichtbar bleiben und teilweise diskreditiert werden“. Ferner sei offensichtlich, dass es Versäumnisse vonseiten Katapults gegeben habe, erklärt Katz, „die es jetzt durch einen Transparenzbericht zu klären gilt“. An konkreten Zahlen und Fakten werde derzeit gearbeitet. Die Gehälter seien gezahlt worden, „sowie die offene Rechnung der freien Autorin beglichen, die im Übermedien-Artikel genannt wird“.

Ein weiteres Mitglied des Ukrai­ne-Projekts, das anonym bleiben will, schreibt der taz hingegen, dass es sein Gehalt stets bekommen habe – bis auf das Honorar für einen Artikel. Aus Sicht dieser Person sei Katapult Ukraine gestartet worden, um ukrainischen Jour­na­lis­t:in­nen zu helfen. Trotz einiger Missverständnisse hätte es von Anfang an die Regel gegeben, dass nur vorab besprochene Artikel veröffentlicht und bezahlt würden. Ähnlich wie die beiden Jour­na­lis­t:in­nen aus dem Übermedien-Bericht bemängelt auch sie, dass es insgesamt eher schleppend lief und ein Artikel von ihr ohne Begründung nicht veröffentlicht wurde. Dementsprechend habe sie dafür auch kein Geld er­halten.

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