piwik no script img

Ampel zu LebensmittelrettungLaue Initiative zum Containern

Die Länder sollen seltener gegen Es­sens­ret­te­r:in­nen ermitteln, fordern die Minister Buschmann und Özdemir. Einen Gesetzesvorschlag haben sie nicht.

Oft noch gut: Lebensmittel aus der Mülltonne Foto: Walter Fischer/imago

Berlin taz | Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) setzen sich dafür ein, strafrechtliche Ermittlungen wegen Containerns in Zukunft häufiger einzustellen. Geregelt werden soll das aber nicht vom Bundestag, sondern von den Ländern.

Als Containern bezeichnet man es, wenn Lebensmittel aus den Abfallcontainern der Supermärkte genommen werden. Ak­ti­vis­t:in­nen sprechen auch von Lebensmittelrettung. Bisher ist Containern als Diebstahl strafbar.

Die beiden Bundesminister unterstützen nun einen Vorschlag von Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Danach sollen die Staatsanwaltschaften derartige Strafverfahren wegen Geringfügigkeit einstellen, wenn sie weder mit Sachbeschädigung noch mit einem größeren Hausfriedensbruch einhergegangen sind und der Verzehr der Lebensmittel auch „keine Gesundheitsgefahren“ dargestellt hat. Sie würden also weiter strafrechtlich verfolgt, wenn zum Beispiel das Schloss eines Containers beschädigt oder ein Zaun überstiegen wurde.

Hamburg will diese Regelung in den „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren“ (RiStBV) als neue Nummer 235a verankern. Die RiStBV ist eine gemeinsame Verwaltungsvorschrift der Länder, die für die Staatsanwaltschaften verbindlich ist. Änderungen der RiStBV sind aber nur im Konsens der Länder möglich.

Gesetzesentwurf wäre einfacher

Ob hier ein Konsens im Sinne Hamburgs zustande kommt, ist sehr unsicher. Der Hamburger Antrag stammt schon vom Oktober 2021. Bei der jüngsten Neufassung der RiStBV wurde er nicht berücksichtigt. Viele Länder sind generell skeptisch gegenüber dem Containern. „Leuten zu ermöglichen, in Containern nach Lebensmitteln zu wühlen, kann nicht unsere Antwort auf die großen Fragen der Lebensmittelverschwendung sein“, kritisiert die Stuttgarter Justizministerin Marion Gentges (CDU).

Sie fordert ein Antiwegwerfgesetz, mit dem größere Supermärkte zur Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen wie Tafeln verpflichtet werden sollen. Die Initiative der beiden Bundesminister hat nun aber immerhin dazu geführt, dass sich die grün-schwarze Landesregierung noch einmal neu beraten will.

Deutlich einfacher wäre es jedoch, das Containern auf Bundesebene zu entkriminalisieren. Das muss nicht einstimmig passieren, der Bundestag könnte mit der Mehrheit der Ampelkoalition das Strafgesetzbuch ändern. Warum also legen die Bundesminister Buschmann und Özdemir keinen Gesetzentwurf vor?

Özdemirs Ressort verweist darauf, dass das Bundesjustizministerium für Rechtsfragen zuständig sei. Dieses erwähnt nur vage die geplante „Modernisierung des Strafrechts“, für die der Minister im Laufe des Jahres einen Vorschlag machen will. Vom Containern war dabei bisher noch nie die Rede.

Wie eine Regelung per Bundesgesetz aussehen könnte, hat die Linke-Fraktion im November gezeigt. Sie schlägt eine Ergänzung von Paragraf 248a („Diebstahl geringwertiger Sachen“) um folgende Passage vor: „Von der Strafverfolgung ist abzusehen, wenn sich die Tat auf Lebensmittel bezieht, die vom Eigentümer in einem Abfallbehältnis, welches der Abholung und Beseitigung durch einen Entsorgungsträger dient, deponiert oder anderweitig zur Abholung bereitgestellt wurden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Sehr viel der Lebensmittelverschwendung ist ja eine Folge eine irrelaufenden Politik und Bürokratie. Vor Jahren wurden problemlos in fast allen Landgasthäusern Reste an Schweine verfüttert, Buffets nach Feiern dem Personal mitgegeben etc. etc. Aber durch unseren Bürokratiewahn ist das alles nicht mehr möglich.



    In vielen Dingen müßten nur schwachsinnige Verordnungen gestrichen werden , dann wäre man schon viel weiter. Aber wirkliche Erleichterungen sind für Bürokraten offensichtlich nicht mehr vorstellbar. Die Politik ergeht sich zusätzlich im Rausch von Gesetzen in denen jeder seine Maximalfantasien in Gesetze gießt, bis es nicht mehr durchführbar wird.

  • So ein sinnloses Gesetz. Schloss an den Container und schon ist es strafbar.



    Ich würde die Händler zur Verwertung zwingen und ihnen die Mehrwertsteuer darauf erlassen.

    Früher gab es Futtertonnen für Schweine. Da brauchte man kein Soja aus dem Regenwaldgebiet.