Gerichtsbeschluss zum Containern: Lieber spenden
Es ist richtig, dass Supermärkte nicht für ihren Müll haften müssen. Doch das Problem ist nicht das Containern, sondern Lebensmittelverschwendung.
K ann es sein, dass die Vernichtung von Lebensmitteln straflos ist, während die Rettung von Lebensmitteln als Diebstahl bestraft wird? Das fragen sich nicht nur Leute, die selbst Lebensmittel aus den Abfallcontainern der Supermärkte holen, um sie zu essen oder an andere zu verteilen.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat diese Frage nun bejaht. Auch das Eigentum an wertlosen Lebensmitteln sei vor Diebstahl geschützt. Es sei, so die Begründung, nachvollziehbar, dass die Supermärkte Haftungsrisiken vermeiden wollen, falls jemand krank wird, nachdem er Lebensmittel aus ihren Abfallcontainern gegessen hat.
Der Karlsruher Beschluss mag viele enttäuschen, die große Hoffnungen in das Bundesverfassungsgericht gesetzt haben, aber er ist vertretbar. Die Richter verweisen zu Recht auf den Gesetzgeber, der entscheiden müsse, was strafbar ist und was nicht. Und falls er das Containern freigibt, müsste er dann wohl zugleich klarstellen, dass es auf eigene Gefahr geschieht und die Supermärkte nicht für verdorbene Mägen oder Schlimmeres haften.
Doch das Containern kann keine Lösung sein. Es ist weder sozial- noch umweltpolitisch wünschenswert, dass sich Leute ihr Essen aus dem Müllcontainer holen. Hier geht es doch eher um demonstratives Handeln, das auf das Problem der Lebensmittelverschwendung hinweisen soll. Und wenn dieses Handeln strafrechtlich als Diebstahl bestraft werden kann, gehört dies zum zivilen Ungehorsam dazu. Ohne Strafe gäbe es vermutlich deutlich weniger Aufmerksamkeit für den Protest.
Die Lösung, die auch von vielen Aktivisten gefordert wird, ist ein Gesetz, wie es in Frankreich bereits existiert. Dort dürfen größere Supermärkte nutzbare Lebensmittel seit 2016 nicht mehr wegwerfen. Unverkaufte Ware muss entweder gespendet, als Tiernahrung genutzt oder als Kompost verwendet werden. Supermärkte sollen Vereinbarungen mit karitativen Organisationen zur Abnahme von unverkauften Lebensmitteln abschließen.
Es ist an der Zeit, die Erfahrungen aus Frankreich auszuwerten und von ihnen in Deutschland zu lernen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Kurdische Gebiete unter Beschuss
Stoppt die Angriffe Erdoğans auf die Kurden in Syrien!