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Direktorenwechsel am Wiener BurgtheaterDie Burg bleibt männlich

Stefan Bachmann geht nach Wien und folgt Martin Kušej als Burgtheaterdirektor. Den Wandel in der Theaterszene greift die Personalie aber nicht auf.

Der neue Chef des Wiener Burgtheaters: Stefan Bachmann bei der Vorstellung Foto: Eva Manhart/apa/dpa

Er ziehe seine Bewerbung zurück, das Wiener Burgtheater ab 2024 für weitere fünf Spielzeiten zu leiten, ließ Martin Kušej Dienstagmittag verlauten. Zu diesem Zeitpunkt lag das möglicherweise schon nicht mehr in seiner Hand. Zwanzig Minuten später avisierte die österreichische Kulturstaatsekretärin Andrea Mayer über die Agenturen eine Pressekonferenz, in der Stefan Bachmann, derzeit Intendant in Köln bis 2026, als neuer Burgtheaterdirektor vorgestellt werden soll.

Das ist nicht die einzige Unebenheit in einem „späten und langwierigen Entscheidungsprozess“, der – damit hat Kušej nicht ganz unrecht – das Haus in eine „unsägliche, schädigende Situation“ manövriert. Zugespitzt hat er die Sache allerdings selbst, indem er sich trotz politischen Gegen­winds und einer durchwachsenen künstlerischen Bilanz als Amtsinhaber dem Bewerbungsverfahren stellte. Auf die Gefahr hin, nicht nur Intendant auf Abruf, sondern auch gescheiterter Bewerber im eigenen Haus zu sein.

Mayer, der von Beginn an Vorbehalte gegen Kušej nachgesagt wurden, hat die Frage einer (Nicht-)Verlängerung nicht offen entschieden, sondern sich bis zuletzt hinter Beratungsgremien verborgen – ein wohl handwerklicher Fehler einer früheren Spitzenbeamtin im Ressort mit bislang hoher fachlicher Reputation. Stefan Bachmann ist in Wien kein Unbekannter.

Der Schweizer hat einige seiner wichtigsten Arbeiten an der Burg herausgebracht, „Verbrennungen“ (2007) von Wajdi Mouawad oder „Winterreise“ (2012) von Elfriede Jelinek. 1998 bis 2003 war er Schauspieldirektor in Basel, seit 2013 leitet er das Schauspiel Köln. Aufhorchen ließ er zuletzt, als er trotzig und pauschal jegliche Antisemitismusvorwürfe gegen seine Kölner Inszenierung von Mouawads „Vögel“ zurückwies.

Nicht besonders revolutionär

Erstaunlich ist, wie sich die Profile des alten und neuen Direktors gleichen. Kušej (61) und Bachmann (56) gehören einer Generation an, haben als Regisseure im Stadttheatersystem ihren Weg gemacht. Mit ihnen verbindet sich eher das, was am Theater, wie man es kannte, technisch gut war, nicht unbedingt die inhaltliche Zukunft. Sie stehen für ein traditionelles Führungsmodell, die Machtfülle der regieführenden Intendanten. Etwas, das als Modell in der Debatte um Macht und Abhängigkeiten im Theaterbetrieb in die Diskussion geraten ist.

Ein Neuanfang zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, Di­versität, eine Antwort auf den Strukturwandel, den die Branche gerade durchlebt, ist diese Berufung nicht.

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1 Kommentar

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  • In dem Artikel wird Stefan Bachmann unterstellt, dass er trotzig und pauschal jegliche Antisemitismusvorwürfe gegen seine Kölner Inszenierung von Mouawads „Vögel“ zurückwies.

    Wenn man sich das Interview mit Bachmann im Kölner Stadtanzeiger durchliest (www.ksta.de/kultur...echt-zeigt-375001) dann antwortet er dort auf die Frage, ob er antisemitische Tendenzen im Text wahrgenommen habe, als er das Stück inszenierte:

    „Nein, die habe ich nicht gesehen. Im Gegenteil. Aber natürlich will ich mir nicht anmaßen, zu beurteilen, was als antisemitisch wahrgenommen werden kann. Darüber habe ich keine Deutungshoheit. Ich werde ja auch People of Colour nicht erklären, ob seine oder ihre Rassismus-Erfahrungen berechtigt sind. Mir geht es nur um den Umstand, dass wenige laute Stimmen ganze Aufführungen verhindern können.“

    Meiner Ansicht nach macht das einen reflektierten Eindruck.