Studie zur Altersdiskriminierung: Alter, Körper, Klasse
Das bisher wenig beachtete Thema Altersdiskriminierung ist eine Chance für Linke: Es verbindet unterschiedliche Arten der Benachteiligung.
A m Donnerstag hat die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman die Untersuchung „Ageismus – Altersbilder und Altersdiskriminierung in Deutschland“ vorgestellt. Auch wenn eine Studie selten einen politischen Umbruch auslöst, wäre es wünschenswert, wenn Atamans Appell eine Debatte über Altersdiskriminierung anstößt. Insbesondere im linken Spektrum, das darüber streitet, ob sogenannte Identitätspolitik mit Klassenpolitik verträglich ist. Denn der Ageismus ist eine weitere Diskriminierungsform, die aufzeigt, wie beides – Benachteiligung aufgrund der eigenen Identität und kapitalistische Ausbeutung – Hand in Hand gehen.
Oft entstehen Vorurteile, die zu Altersdiskriminierung führen, aus einer oberflächlichen Einschätzung darüber, wie nützlich eine Person im fortgeschrittenen Alter noch für eine Gesellschaft ist. Menschen, die langsamer arbeiten, mehr Unterstützung brauchen, gegebenenfalls öfter krank sind oder nicht jede technische Neuerung sofort beherrschen, werden häufig in der Arbeitswelt benachteiligt.
Menschen werden jedoch nicht erst abgewertet, wenn sie als weniger gewinnbringend angesehen werden, sondern auch dann, wenn sie zusätzliche Kosten verursachen: das Rentensystem „überlasten“ oder pflegebedürftig werden Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen dem kapitalistischen Wirtschaftssystem und Altersdiskriminierung bei der Frage, welche Menschen früher altern. Häufig sind dies jene, deren Körper von jahrelanger schwerer Arbeit geprägt sind.
Für die Linke wäre eine gesellschaftliche Debatte über Ageismus eine Chance, ein Themenfeld zu besetzen, das bislang in Deutschland über Debatten des Renteneintrittsalters hinaus wenig Aufmerksamkeit bekommt. Der Kampf gegen Diskriminierung aufgrund von biologistischen Markern – wie dem Lebensalter oder dem Geschlecht – könnte so mit dem Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und gegen eine reine produktivistische Bewertung von Körpern verbunden werden.
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