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Pläne für KrankenhausreformDas Gesundheitssystem heilen

Esther Geisslinger
Kommentar von Esther Geisslinger

Karl Lauterbach hat eine „Revolution“ des Gesundheitssystems angekündigt. Es wird auch höchste Zeit, damit zu beginnen.

Die Behandlung kann losgehen: in der Bettenaufbereitung im Klinikum rechts der Isar Foto: Thomas Einberger/imago

W enig ist in Deutschland so frustrierend wie die Gesundheitspolitik. Zugegeben, auch Themenfelder wie Verkehr oder Energie sind ex­trem schwierig, weil sinnvolle Dinge wie Tempolimit oder Windkraftausbau daran scheitern, dass sich Menschen und die sie vertretenden Parteien dagegen positionieren. Der zusätzliche Frustfaktor im Gesundheitsbereich besteht indes darin, dass erstaunlicherweise in vielen Fragen Einigkeit herrscht und trotzdem nichts vorangeht.

Seit Jahren stehen alle Fachleute besorgt um das Bett des schwerkranken Gesundheitswesens herum, stellen gemeinsam die Diagnose und ahnen sogar, worin die Therapie besteht. Nur geht es trotzdem nicht los mit der Behandlung, und das ist sehr schade.

Daher: Ja, wenn sich endlich mal etwas ändern würde in diesem starren System, in dem jede Seite ihre Pfründe verteidigt und neidisch auf alle anderen schielt, wäre das eine „Revolution“, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach versprochen hat, auch wenn der SPD-Politiker dafür schon viel Hohn und Kritik einstecken musste.

Lauterbach war – als Gesundheitsexperte – bereits vor 20 Jahren selbst an der Reform beteiligt, als die Fallpauschalen eingeführt wurden, die einzig aufgrund der Diagnose festlegen, welche Summe eine Klinik für eine Behandlung bekommt. Was die Pauschale allerdings nicht berücksichtigt, ist, wie gut die Wunde nach einer Operation tatsächlich verheilt oder ob einzelne Pa­ti­en­t*in­nen mehr Pflege brauchen als Max Mustermann. Daher sollte, wer ein Kind ist, wer alt oder behindert ist, Klinikaufenthalte besser meiden. Denn in heutigen Krankenhäusern herrscht so brutaler Zeit- und Bürokratiedruck auf das ärztliche und pflegerische Personal, dass Menschen auf der Strecke bleiben.

Menschen sind schwerer ersetzbar als Geld

Künftig soll es, hurra!, weniger um Geld und wieder mehr um die Medizin gehen. Der von Lauterbach vorgestellte Behandlungsplan für das Krankenhaussystem enthält viele Therapieschritte, darunter OPs mit richtig tiefen Schnitten. Wie gut und wirksam die sind, darüber wird in den nächsten Monaten gestritten werden. Der Bund kann nicht durchregieren, dagegen stehen die Selbstverwaltung des Systems und die Länder, und zumindest Bayern hat schon Widerstand angekündigt.

Es gibt aber einen Grund, warum es klappen kann mit der Revolution: Vor 20 Jahren ging es darum, Geld zu sparen. Heute fehlen Menschen. Und die sind am Ende doch schwerer zu ersetzen als Euro und Cent.

Um den Beruf für Ärz­t*in­nen und Pflegekräfte wieder attraktiver zu machen, muss das Gesundheitssystem gesunden. Die Diagnose ist gestellt, es wird Zeit, endlich mit der Behandlung anzufangen.

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Esther Geisslinger
Schleswig-Holstein
Jahrgang 1968. Ist in der taz als Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein zuständig von Flensburg bis Elmshorn, von Fischerei bis Windkraft, von lokalen Streitigkeiten bis Landtagsdebatten. Schwerpunkte: Soziales, Gesundheitspolitik
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3 Kommentare

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  • Was aus meiner Sicht (seit zwanzig Jahren arbeite ich als Klinikarzt) in jeder Diskussion um das Gesundheitssystem fehlt ist die Infragestellung des niedergelassenen Systems.



    ÄrztInnen in Praxen arbeiten rein nach finanziellen Gesichtspunkten. Jeder eingesparte Euro in deren Behandlungen schlagen sich als Gewinn auf ihren Konto nieder. Gleichzeitig entziehen sie dem System FachärztInnen und beteiligen sich praktisch aber nicht an der Aus- und Weiterbildung.



    Sie nehmen kaum an den ungeliebten Nacht- uns Wochenenddiensten (außer das bisschen KV Dienst) teil und deren Maschinen (zB MRTs in den Praxen) stehen nach Feierabend und am Wochenende still obwohl in den Kliniken gleichzeitig Engpässe an diesen diagnostischen Geräten herrschen.



    Nicht zuletzt verhindert der niedergelassene Sektor aktiv die Möglichkeit in Kliniken ambulante Behandlungen durchzuführen.



    Solange dies nicht angegangen wird (zB durch Einführung von Ambulatorien oder Polikliniken in öffentlicher Hand) verschwindet weiterhin etwa die Hälfte des Budgets im Gesundheitssystem in diesem profitorientierten Bereich.

  • "Heute fehlen Menschen. Und die sind am Ende doch schwerer zu ersetzen als Euro und Cent."

    Das ist richtig. Doch auch mit viel Geld (was in der benötigten Menge gar nicht zur Verfügung steht) ist nicht allzu viel zu machen. Geld kann zwar ein Lockmittel sein, doch nach wie vor wird die Frage nicht gestellt, welche Art von Menschen es denn sein sollen, die zusätzlich eingestellt werden. Und da reicht es überhaupt nicht, nur an das Personal in den Kliniken zu denken.

    Wer ist wohl geeigneter? Solche, die aus innerem Antrieb heraus Menschen helfen wollen, oder solche, die "rekrutiert" oder "zwangsrekrutiert" werden? Und wer sollte wohl die Kliniken wirtschaftlich leiten? Solche, die das Wohl der Menschen im Auge haben, oder solche, die nur auf die Rendite schauen?

    So geht es dann immer weiter: Wer sollte in den Regierungen sitzen? Wer sollte die Planungen vornehmen? Wer sollte den Arbeitsmarkt regeln? Wer sollte in den Konzernspitzen sitzen, usw. usw. Und ärgerlicherweise taucht dann auch noch stark zunehmend die Frage auf, welche Art von Menschen oder welche Bevölkerungsgruppe wohl gemeint sind, wenn vom "Wohl der Menschen" die Rede ist.

    Ein Gesellschaftssystem ist wie der Körper eines Menschen. Um gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden, muß auf den ganzen Körper geachtet werden und nicht nur auf einen einzigen Punkt, für den sich zuletzt bestenfalls eine auf nur einen Punkt spezialisierte "Fachkraft" interessiert, denn alles greift ineinander und ist voneinander abhängig.

  • Lauterbach meint mit "Revolution" sicherlich die Abschschaffung der Privatversicherung und damit der Zwei-Klassenmedizizin. Nicht.