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Alternativen zur Fußball-WMKein Blues

Für Katar-Boykoteur:innen probiert die taz Alternativen aus. Dieses Mal: Winterschwimmen im Nordlondoner Park Hampstead Heath.

Winterbaden im Hampstead Heath, Februar 1932 Foto: imago

An den Schwimmseen des Nordlondoner Parks Hampstead Heath diskutieren Schwimmer:innen, die von den Ba­de­meis­te­r:in­nen auf einer kleinen Tafel mit Kreide gezeichnete Temperatur. Die hiesige Binsenregel heißt: „Für jedes Grad eine Minute.“ Das bedeutet, dass man bei zehn Grad zehn Minuten im Wasser bleiben sollte, bei zwei Grad nur noch zwei Minuten.

Die meisten hier tun das ohne Neoprenanzug, viele allerdings, darunter auch ich, ab einer gewissen Temperatur mit Taucherhandschuhen und Tauchersocken und dicken Tauchermützen oder Wollmützen. Mit diesen hält man die Kälte etwas länger aus. Ab und zu hyperventilieren einige vor dem Schwimmen, nach der Schule des Niederländers Wim Hof, der weltweit als „Eismann“ uralte indische Atemtechniken zur Kältetoleranz wiedervermarktet.

Das Schwimmen im kalten Wasser soll Depressionen und Schmerzen unterdrücken, kurbelt den Kreislauf an, verbessert die Abwehrkräfte, verwandelt weißes Körperfett in gesünderes braunes, die Kälte regt gar die Bildung von Proteinen an, die das Gehirn schützen sollen.

Für mich als Großbritannienkorrespondent der taz ist diese Art des Schwimmens der Ausgleich nach einem typisch gehetzten Tag voller politischer Intrigen und schwerwiegenden Vorkommnissen, die ich zu strikten Abgabefristen aufs Papier bringen muss. Wenn ich danach bei um die zehn Grad oder weniger meine Runden in den Kleinseen ziehe, vergesse ich das Tagesgeschehen. Stattdessen bin ich mit mir, der Kälte und der umliegenden Natur beschäftigt, während mir Seemöwen neugierig dabei zusehen.

Anziehen in verkehrter Reihenfolge

Das ist keineswegs meschugge, sondern bewahrt mich sogar davor auszurasten. Ich kann hier abschalten. Dass ich mit dem Fahrrad den halben Hügel von Hampstead hochfahren muss, um zu den Seen zu gelangen, erhöht darüber hinaus den Fitnessgewinn dieser Aktivität. Jene, die wie ich bereits mehrere Winter durchgemacht haben – dieses Jahr ist mein achter Winter –, kennen ihre Grenzen.

Sie wissen, wann es Zeit ist, wieder aus der Kälte auszusteigen, um nicht im vollkommenen Zittermarsch nach Hause gehen zu müssen. Damit mir nach dem Schwimmen wieder schnell warm wird, organisiere ich persönlich meine Anziehsachen auch in verkehrter Reihenfolge. Erst ziehe ich die Mütze auf und das T-Shirt an, dann Pullover und Anorak, und erst dann Socken, Unterhose, Hose und Schuhe.

Weil das Schwimmen plötzlich populär wurde, gibt es inzwischen Rennen wie die Eismeile. Aber die meisten Menschen in den kalten Seen enthalten sich jeglichen Wettstreits. Ihnen geht es um die innere Ruhe inmitten einer riesigen Stadt, ihre Gesundheit und um das gesellige Miteinander nach dem Schwimmen – das alles am besten bei einer warmen Tasse Tee aus einer Thermosflasche. Von Winter-Blues keine Spur!

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