Vizeweltmeister über Winterschwimmen: „Fünf Grad sind angenehm warm“

Vizeweltmeister Martin Tschepe über Kraulen fast am Gefrierpunkt, olympische Ambitionen und das Glück, ohne Erkältung durch den Winter zu kommen.

Ein Schwimmer krault im See auf die Kamera zu

Selfie im See: Martin Tschepe wurde gerade Vizeweltmeister im Winterschwimmen Foto: Tschepe

taz: Herr Tschepe, Sie sind Eisschwimmer. Warum macht man so was?

Martin Tschepe: Gute Frage, wir haben die so oft gestellt bekommen, dass wir uns diese Antwort zurechtgelegt haben: weil es cool ist, weil es gesund ist und weil wir es können.

Seit wann wissen Sie denn, dass Sie so etwas können?

Ich bin seit fünf Jahren dabei, da gab es zum ersten Mal die German Open, und der Veranstalter, der wusste, dass ich gerne und gut schwimme, wollte mich dabeihaben.

Ihre Reaktion?

Ihr spinnt! Das mache ich nicht! Aber dann habe ich es halt doch ausprobiert. Als sparsamer Halbschwabe macht man so was.

wuchs in Sylt und Ludwigsburg/Neckar auf. Er ist Redakteur der Stuttgarter Zeitung und schreibt auch für swim.de. Von ihm stammt „Im Element. Geschichten vom Schwimmen“ (2018).

Bis dahin waren Sie ein normaler Bahnenschwimmer in geheizten Frei- und Hallenbädern?

Ja, aber ich bin auf Sylt aufgewachsen, da bin ich auch oft im Meer geschwommen. Das waren teils schon Temperaturen um die 16, 17 Grad. Und als Jugendlicher, bis zum Alter von 25 Jahren, bin ich dann bei sogenannt normalen Wettkämpfen geschwommen.

Was sind mittlerweile Ihre Temperaturen?

Das kälteste Wasser, in dem ich einen Wettkampf geschwommen habe, war 1,7 Grad. Da bin ich 1.000 Meter gekrault. Im Salzwasser kann es auch unter null Grad sein, das friert ja später, aber ich persönlich habe den 1,7-Grad-Rekord.

Reicht ja auch, oder?

Als Faustregel gilt: Zwei Grad ist doppelt so kalt wie vier Grad. Und fünf Grad ist schon angenehm warm.

Warm?

Sportart: Seit einigen Jahren gibt es Eis- bzw. Winterschwimm-Wettkämpfe in Seen oder anderen offenen Gewässern, seltener in Freibädern.

Geschichte: Hervorgegangen ist der Sport aus der Tradition des Eisbadens, das in der Schweiz, Großbritannien und in Deutschland vor allem in der DDR beliebt war. Weltmeisterschaften gibt es seit 1999/2000.

Verbände: Die „International Winter Swimming Association“ (IWSA) und die „International Ice Swimming Association“ (IISA) konkurrieren. Die IISA will den Sport im olympischen Programm unterbringen.

Relativ natürlich. Ich bin ja einigermaßen schnell. Für 1.000 Meter in diesem kalten Wasser brauche ich etwa eine Viertelstunde. Aber bei den Eisschwimm-Wettkämpfen sind auch Leute dabei, die deutlich langsamer sind, die brauchen dann vielleicht eine halbe Stunde. Für die wird es manchmal zum Problem.

Gibt es eine Grenze?

Bestimmt, aber ich bin noch nie an meine Grenze gegangen. Und ich will sie auch nicht austesten.

Ist das nicht alles sehr gefährlich?

Nein. Bei Wettkämpfen, an denen ich teilgenommen habe, ist noch nie etwas passiert. Gewiss, woanders schon – das dürfte wie beim Marathonlauf sein: Es gibt immer wieder Todesfälle bei Veranstaltungen, aber die sind statistisch selten.

Gibt es Schutzmaßnahmen?

Jeder Schwimmer, so war es jetzt bei der WM auch, muss beim Freiwasserschwimmen einen Betreuer dabeihaben. Und es gibt Begleitboote, in denen Kampfrichter sitzen: Wenn jemand deutlich langsamer krault oder unkoordiniert wirkt, dann wird er herangewunken, er sieht die Gelbe Karte und mit ihm wird gesprochen. Wenn es sich nicht bessert, gibt’s die Rote Karte, und er wird aus dem Wasser gezogen.

Am Anfang unseres Gesprächs haben Sie ja behauptet, Winterschwimmen sei gesund.

Ist es auch. Ich bin, seit ich damit angefangen habe, kein einziges Mal erkältet gewesen. Leichter Schnupfen schon mal, aber ernsthafte grippale Infekte habe ich nicht.

Sie sind jetzt im Bleder See in Slowenien dreimal Vizeweltmeister geworden – in welchen Disziplinen?

Ich bin Langstreckler: 1.000 Meter, 450 Meter und, ganz untypisch, in der 4-mal-25-Meter-Staffel.

Sind Sie Vizeweltmeister für den Deutschen Schwimmverband?

Nein, ich vermute, dass man uns dort ignoriert. Unsere Staffel war eine „Germany-Russia“-Staffel: Drei deutsche Schwimmer und eine russische Schwimmerin. Also gegendert und multinational.

Haben Sie olympische Ambitionen …

Ja. Eindeutig. Wir wollen olympisch werden. Uns steht im Wege, dass es zwei konkurrierende Weltverbände gibt, die „International Winter Swimming Association“ und die „International Ice Swimming Association“. Die bemühen sich zwar darum, einmal olympische Demonstrationssportart zu werden, aber das dauert noch.

Winterolympia, nehme ich an?

Ja, wir sind ja eine Wintersportart.

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