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Habecks eigener Plan

Der Bundeswirtschaftsminister hat eine Chinastrategie ausarbeiten lassen. Das Dokument ist eine Abkehr vom bisherigen Kurs, ein Konflikt mit dem Kanzler absehbar

Wirtschafts­minister Robert Habeck bei Wacker Chemie Nünchritz. Das Unternehmen produziert Polysilizium, einen Baustein für Photovoltaik Foto: Sebastian Willnow/dpa

Von Michael Radunski

Beim Einstieg der chinesischen Reederei Cosco im Hamburger Hafen musste Robert Habeck noch zähneknirschend zuschauen. Die Übernahme des Dortmunder Chip-Herstellers Elmos konnte der grüne Wirtschaftsminister dann verhindern. Habeck fürchtet, dass China über solche Geschäfte zu viel Einfluss auf kritische Infrastruktur und wichtige Industriezweige in Deutschland bekommt. Alles Einzelfälle, beschwichtigen die Befürworter. Doch die Einzelfälle häufen sich. Und mit jedem Mal wieder deutlicher: Deutschland hat noch immer keine Chinastrategie.

Nun will Habeck nicht länger warten, weder auf das Auswärtige Amt und schon gar nicht auf das Kanzleramt – und hat in seinem Haus eine eigenen China­strategie ausarbeiten lassen. Das 100 Seiten starke Dokument ist mit „VS“ gekennzeichnet: Verschlusssache, also nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Der Mediendienst „Pioneer“ ist an ein Exemplar gekommen und berichtet von einem überaus china­kritischen Konzept. Habeck wolle die deutsche Wirtschaft unabhängiger machen von China.

In dem Papier heißt es dazu: „Während China seine Abhängigkeit verringert, nimmt die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für die EU und Deutschland weiter zu.“ Das stimmt. Peking verfolgt mit der Strategie „Made in China 2025“ das Ziel, in den zehn wichtigen Industriezweigen unabhängig von der Welt und zugleich Marktführer zu werden. Für die Bundesrepublik müssen Habecks Mitarbeiter hingegen festhalten: Aus keinem Land der Welt importiere Deutschland mehr – allein 2021 Waren im Gesamtwert von rund 142 Milliarden Euro, 21 Prozent mehr als noch 2020.

Und während Deutschland 2,7 Prozent seiner Gesamtwertschöpfung nach China exportiert, führt China umgekehrt nur 0,8 Prozent seiner Wertschaffung aus Deutschland ein. In einigen Branchen ist das Ungleichgewicht alarmierend: Neben der Autobranche betrifft sie etwa Wasserstofftechnologie, Elektromobilität oder erneuerbare Energien. „Chinesische Unternehmen produzieren bereits heute weltweit mehr als 70 Prozent der Solarpaneele und etwa die Hälfte der Windturbinen und Elektroautos.“

In dem Papier gibt es konkrete Vorschläge, wie sich das ändern soll: So sind neue Berichtspflichten für deutsche Firmen mit starkem Chinageschäft vorgesehen. Das könnte Autobauer wie VW betreffen, aber auch den Chemiekonzern BASF, der angekündigt hat, 10 Milliarden Euro in ein neues Werk in der süd­chinesischen Provinz Guangdong zu investieren.

Zudem soll die Politik deutsch-chinesische Wirtschaftsprojekte weniger stark unterstützen. Und auch Freihandelsabkommen mit anderen Staaten aus dem Asien-Pazifik-Raum sollen helfen, Deutschland von China zu lösen. Außerdem will man im Wirtschafts­ministerium offenbar erreichen, dass China nicht mehr als Entwicklungsland eingestuft wird. Eine ähnliche Diskussion gab es zuletzt auf der Klimakonferenz in Ägypten, wo sich allerdings China durchsetzte.

China ist nicht mehr begehrter Wirtschaftspartner, sondern bedrohlicher Rivale

Damit stellt das Papier eine klare Abkehr dar vom bisherigen Kurs der deutschen Wirtschaftsminister: China ist nicht mehr begehrter Wirtschaftspartner, sondern ein bedrohlicher Rivale.

Laut „Pioneer“ soll Habeck das hauseigene Papier intern gelobt und eine zügige Umsetzung der Handlungsempfehlungen zugesagt haben. Es solle in die Chinastrategie der Bundesregierung eingearbeitet werden. Allerdings scheint das nicht mit den anderen Ministerien abgestimmt zu sein. Und genau hier liegt das Problem: Zwar liegen die Vorschläge inhaltlich auf einer Linie mit dem Entwurf des Auswärtigen Amts für eine China­strategie. Aber nicht nur in der Diskussion um das Cosco-Engagement im Hamburger Hafen wurde bereits deutlich, dass das Kanzleramt eine deutlich chinafreundlichere Linie verfolgt. Ein Machtwort von Olaf Scholz (SPD) macht letztlich den Einstieg Coscos möglich.

Ebenfalls brisant sind die außenpolitischen Prognosen im Papier des Wirtschaftsministeriums. So prophezeien Habecks Beamte, dass China Taiwan bis spätestens 2027 annektieren werde – passend zum 100-jährigen Jubiläum der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Tatsächlich haben die Spannungen um Taiwan zugenommen: Nach dem Taiwan-Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi hat Peking vermehrt Kampfjets in die Luftverteidigungszone der Insel geschickt und Raketen getestet. Zugleich sicherte US-Präsident Joe Biden Taiwan die volle – auch militärische – Unterstützung der USA zu, sollte China tatsächlich angreifen. Es sind genau solch klare Ansagen, mit denen man Chinas Verhalten am ehesten beeinflussen kann. Eine Klarheit, die auch die deutsche Bundesregierung gegenüber China entwickeln sollte. Habeck will das offenbar angehen.

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