Finanzierung von Niedersachsens Schulen: Ein Sozialindex ist überfällig

Hamburg tut es, Bremen auch: Brennpunkt-Schulen besser ausstatten. Jetzt will Niedersachsen nachziehen. Doch einfach ist das nicht.

Auf dem Zaun einer Schule sind bunte Figuren und das Wort "Willkommen" in mehreren Sprachen

Eine Förderkandidatin? An der Grundschule Mühlenberg in Hannover gehört Mehrsprachigkeit dazu Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpaHauke-Christian Dittrich

Es war im Grunde nur eine kurze Bemerkung in einem längeren Interview, doch die machte – der Nachrichtenagentur dpa sei Dank – schnell die ganz große Runde. Niedersachsens neue Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) will künftig Sozialindizes einsetzen, um die Ressourcenverteilung an die Schulen zu steuern.

Darauf gibt es genau zwei reflexhafte Reaktionen: Die „Ich möchte aber meinem Kind seine Privilegien erhalten“-Fraktion schnaubt leise etwas von ideologisch motivierter Umverteilung. Und die meisten anderen Menschen fragen: Wie? Das gibt es noch nicht?

Immerhin ist die Debatte darum, dass Ungleichheiten nicht weggehen, wenn man sie ignoriert, schon seit einem Weilchen präsent. Stadtstaaten wie Hamburg, Bremen und Berlin haben schon vor Jahren Sozialindizes eingeführt, NRW und Hessen bemühen sich, „Schulen mit besonderen Herausforderungen“ auch besonders zu unterstützen.

Andere Länder machen das zumindest in Modellprojekten, der Bund plant etwas Ähnliches mit dem Startchancen-Projekt und auch auf kommunaler Ebene hat sich in dieser Hinsicht einiges getan.

Allerdings: Der Teufel steckt wie immer im Detail und die Aufgabe ist – vor allem in einem Flächenland – nicht ganz trivial. Ein fertiges Konzept hat die Kultusministerin nicht in der Schublade, auch wenn die Grünen das schon lange fordern.

Welche Daten man hat (und nutzen darf) unterscheidet sich

Die Schwierigkeit fängt schon einmal damit an, welche Daten man überhaupt vorliegen hat und benutzen darf: Viele versuchen es erst einmal mit den Daten zum Umfeld der Schule oder dem Wohnumfeld der Schü­le­r*in­nen – wie viele Arbeitslose/Sozialleistungenbeziehende gibt es da? Wie viele Einfamilienhäuser oder Nichtwähler? Das können Indikatoren sein, funktioniert aber auch da am besten, wo die Einzugsbereiche überschaubar sind, also zum Beispiel bei Grundschulen.

Bei weiterführenden Schulen erfordert das schon detailliertere Auswertungen. Manche Schulen haben auch Daten zur Zuwanderungsgeschichte, Förderbedarfen, Lernmittelbefreiungen oder aus Vergleichsarbeiten, schreiben die Bildungsforscher Klaus Klemm und Daniel Kneuper in einer Übersicht aus dem Jahr 2019. Die dürfen aber nicht in jedem Fall verwendet werden.

Schon Bremen tut sich schwer, weil die Datengrundlage in Bremerhaven eine andere ist, wie sich aus den wiederholten Anfragen der Linken in der Bürgerschaft ablesen lässt. Die Stadt Hamburg setzt zusätzlich auf Elternbefragungen, aber auch das birgt die Gefahr, dass der Rücklauf sehr unterschiedlich ausfällt.

Und je kleinräumiger und „schulschärfer“ – also tatsächlich auf die einzelne Schule bezogen – das Ganze ausfällt, desto schwieriger wird eine so direkte Datenerhebung, vor allem wenn sie dann auch noch hinreichend anonym bleiben soll. Man möchte ja nicht unbedingt dem Dorfrektor detaillierte Auskunft über die persönlichen Lebensverhältnisse zukommen lassen.

Dazu kommt: Aktuell muss vielerorts vor allem der Personalmangel verwaltet werden – da ist wenig Spiel für die Verteilung zusätzlicher Ressourcen. Julia Hamburg wird dicke Bretter bohren müssen. Einen Zeitrahmen will sie deshalb klugerweise lieber nicht nennen.

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Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020

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