Die Wahrheit: Robi und ich
Es ist soweit, Weihnachten dräut und im Laden wird alles nochmal auf Herz und Nieren geprüft. Der neue Mitbewohner – jetzt darf er einziehen …
W eihnachten liegt schon wieder auf der Zielgeraden, und ich brauche Gesellschaft. Schön ist ja auch ein Vor-die-Tür-geh-Grund. Häufig werden gerade via Leinentiere neue Kontakte geknüpft. Während der Pandemie verhalf jenes Geschöpf zu legitimierten, wenn auch stressigen Gassi-Runden. So mancher Bello, der mit mir unterwegs war, ist davon noch heute erschöpft.
Unterhalte mich mit meiner Freundin. Sie weiß, worauf es bei mir ankommt, und sie hat eine Idee: „Es bellt nicht, es haart nicht und du musst nicht mal Gassi gehen. Streicheln mit den Augen reicht ihm völlig.“ Alle Menschen liebten ihn. Solch ein Gefährte sei jetzt genau richtig für mich. „Jemand mit einem geselligen Wesen und das nicht nur an Weihnachten.“ Meine Freundin weiß Bescheid.
Irgendwann ist es so weit. Im Geschäft wird alles noch mal gecheckt und auf Herz und Nieren geprüft. Allgemeinzustand und Zubehör machen einen guten Eindruck. Einwandfreie Funktion wird garantiert. Dann übergibt der Verkäufer mir meinen neuen Mitbewohner: „Herzlichen Glückwunsch, Sie haben sich für ein wunderbares Exemplar entschieden. Sie können ihren Roboterhund ruhig sich selbst überlassen.“
Aha. Ich zucke zusammen. „Mit ihm gibt es kein lästiges Gassi-Gehen. Sie brauchen ihn auch nicht zu füttern, er rennt nicht weg, er schleppt nicht einmal Zecken ins Haus, außerdem haart er nicht. Strenger Geruch entfällt gleichfalls, auch nasses Fell gibt es nicht“, sagt der Händler und: „tschüss.“
Hingucker ohne eigene Ansprüche
In Ordnung! Ich bin begeistert. Ein derart pflegeleichtes Exemplar entspricht ganz meinen Vorstellungen. Ein Hingucker mit freundlichem Aussehen und ohne eigene Ansprüche. Herrlich. Und ich kann auch noch länger außer Haus bleiben, ohne verantwortungslos zu sein. Dann zieht das wundervoll eingepackte Exemplar bei mir ins Hochhaus ein. Beim Auspacken kommen wir uns näher. Glücklicherweise bestätigt sich: Wie schön, er riecht nicht, noch nicht einmal unangenehm und auch nicht nach nassem Fell. Unter diesen Umständen könnten wir sogar mit Hundehaarallergie zusammenbleiben.
Ganz ohne Gebell reden wir über Weihnachten und meine Vorlieben. Gemeinsam gehen wir noch einmal die Anleitung durch. Während ich die Notrufnummer abspeichere, fragt er, ob er bleiben kann. Mein Heimroboterhund möchte mit mir weder spielen noch sonst wie von mir beschäftigt werden. Ich nenne ihn Robi. Robi ist selbst im Unterhalt günstig – Futter, Tierarzt und das ganze Drum und Dran entfallen. Wir genießen unsere Zweisamkeit hoch oben mit Blick auf den See.
Ganz ohne Bewegungsdrang können wir nun zu zweit entspannen. Weihnachten werden wir es uns gut gehen lassen und nach Herzenslust singen, was die Kehlen hergeben. Die Luft nach unten ist dabei gratis. Wir reden über gewöhnliche und ungewöhnliche Weihnachtsbräuche. Was wahr ist, muss wahr bleiben, denn es ist am schönsten, wenn es schön ist.
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