Klimafolgen des Ukraine-Kriegs: Der Elefant im Raum
Bei der Klimakonferenz in Scharm al-Scheich wurde auch über die Klimafolgen des Kriegs in der Ukraine gestritten. Diese sind dramatisch.
Obwohl der Krieg in der Ukraine nicht Teil der offiziellen Tagesordnung der Klimakonferenz COP27 war, war er wie ein Elefant im Raum. Die ukrainische Delegation hatte zum ersten Mal in der Geschichte des Klimagipfels einen eigenen Pavillon.Die Delegation selbst und Aktivist:innen sprachen über die kriegsbedingten Emissionen, während die russische Delegation sich verhielt, als gäbe es keinen Krieg.
In Ägypten wurde sowohl über die direkten Klimafolgen des Kriegs als auch über die eher indirekten Auswirkungen auf Klimapolitik, Energie und Ernährungssicherheit gesprochen.
Die Autoren der Studie „Climate damage caused by Russia’s war in Ukraine“, schätzen, dass sich die Treibhausgasemissionen in den ersten sieben Monate des Kriegs auf mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 beliefen. Dies entspricht den Emissionen der Niederlande im gleichen Zeitraum. Die Rechnung umfasst Emissionen durch die Kriegsführung, Brände und den nötigen Wiederaufbau zerstörter oder beschädigter ziviler Infrastruktur. Die Autor:innen der Studie schließen in ihre Rechnung auch Emissionen aus den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 mit ein.
Der Krieg in der Ukraine hat aber auch indirekte Klimafolgen. Dazu gehören die Umleitung finanzieller Ressourcen aus dem Klima in andere Bereiche (etwa Waffen) sowie die Veränderungen im Energiemarkt. „Die durch den Krieg verursachte Energiekrise hat den Klimaschutz weltweit geschwächt, da die Länder nach neuen fossilen Energiequellen suchen, statt Klimaschutz zu betreiben“, heißt es im „Climate Change Performance Index 2023“, der jährlich von einer Autor:innengruppe aus Germanwatch, New Climate Institute und dem Climate Action Network erstellt wird. Auch US-Präsident Joe Biden sagte in seiner Rede auf der Klimakonferenz, dass Russlands Krieg in der Ukraine zu Instabilität auf dem Energiemarkt und Inflationsdruck geführt habe. Allerdings dürfe dies die Bekämpfung des Klimawandels nicht zunichte machen. „Russlands Krieg verstärkt nur die Notwendigkeit, die Welt von dieser Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien“, sagte er.
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Werbung für Atomkraft
Trotzdem schien die russische Delegation nichts davon zu bemerken oder zu erwähnen. Die Vertreter:innen forderten in ihren Erklärungen eine stärkere internationale Klimakooperation und erklärten, dass Russland den Umwelt- und Klimasektor als einen Bereich für „Dialog und Zusammenarbeit“ betrachte. Zudem kritisierten sie die internationale Sanktionen, die grüne und kohlenstoffarme Technologien betreffen. Auch die Vertreter:innen von russischen Unternehmen sagten, dass „kein Land von der globalen Klimaagenda ausgeschlossen werden kann und eine Zusammenarbeit im Klimaschutz absolut notwendig ist“.
Russische Unternehmen aus der Energiebranche und der Metallindustrie waren ebenfalls in der Länderdelegation vertreten und forderten eine intensivere technologische Zusammenarbeit und die Aufhebung von Handelshemmnissen. Eines der aktivsten russischen Unternehmen auf der Konferenz, der staatliche Kernenergiekonzern Rosatom, warb für Atomkraft als Lösung in der Klimakrise, vor allem auf Veranstaltungen mit nichtwestlichen Ländern. Man habe die sichersten, saubersten Atomkraftwerke, behauptete die russische Delegation, während die russische Armee immer noch das Atomkraftwert Saporischschja in der Ukraine besetzt hält und Millionen von Menschen in große Gefahr bringt.
Auch die Vertreter:innen russischer Metallkonzerne, die Stahl, Kupfer und Nickel produzieren, betonten die Rolle ihrer Produkte für die globale Energiewende, und kritisierten die Sanktionen als kontraproduktiv. Der russische Oligarch Andrey Melnichenko, der vor Kurzem wegen der Sanktionen seine Anteile an Kohle- und Düngemittelunternehmen in Russland aufgegeben hat, schlug vor, dass die Delegierten sich nicht mit menschengemachten Emissionen beschäftigen sollten, sondern mit Emissionen aus Ökosystemen. Er sprach von einer Verschwörung gegen Russland in Form der globalen Klimapolitik, der Russland nur zugestimmt habe, weil es keinen Schaden gesehen habe. Aber jetzt habe „unsere bekannte Militäroperation“ begonnen, und erst nach deren Ende werde Russland zur Klimapolitik zurückkommen, sagte er auf einer Veranstaltung der russischen Delegation.
Der Beginn der Veranstaltung wurde durch eine Protestaktion ukrainischer Aktivist:innen unterbrochen. Sie riefen, dass Russland in der Ukraine „Menschen erschießt und bombardiert“, während Russlands Klimaversprechen nichts bedeuteten, weil es „das Klima mit dem Krieg mit fossilen Brennstoffen tötet“.
Aktivist:innen im Exil
Dennoch sah es auf der Konferenz so aus, als ob Russland immer noch versuche, die globale Klimapolitik als neutralen Boden zu betrachten. Doch auch wenn die Zusammenarbeit zwischen dem Westen und dem russischen Staat eingestellt ist, gibt es immer noch andere Akteur:innen aus Russland, die versuchen, an dem Thema zu arbeiten, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes. Darunter sind unabhängige Wissenschaftler:innen, Zivilgesellschaftsexpert:innen und Klimaktivist:innen. Mitte September wurde die allererste Klimaklage von einer Gruppe von Aktivist:innen in Russland eingereicht, in der die Behörden aufgefordert werden, Maßnahmen zu ergreifen, die die Emissionen Russlands reduzieren, um den Zielen des Pariser Abkommens zu entsprechen.
Doch die Arbeit zahlreicher Umwelt- und Klimaaktivist:innen in Russland wird schwieriger und gefährlicher. Viele haben beschlossen, das Land zu verlassen und befinden sich derzeit im Exil. Einer von ihnen ist Russlands bekanntester Klimaaktivist Arshak Makichyan. Er äußerte sich sowohl kritisch über den Krieg in der Ukraine als auch über die Klimapolitik Russlands. Kürzlich wurde ihm und seiner Familie die russische Staatsbürgerschaft entzogen.
Die Autorin ist eine führende russische Klima-Journalistin und lebt seit dem Frühjahr im Berliner Exil. Sie berichtet seit Jahren von Klimakonferenzen, aktuell aus Scharm al-Scheich.
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