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Grüne lehnen längere AKW-Laufzeit ab„Der falsche Weg für Deutschland“

Im Ampel-Streit über die weitere Nutzung von Atomkraftwerken zeichnet sich bislang kein Kompromiss ab. Grünen-Chefin Ricarda Lang wird deutlich.

Protest gegen die Laufzeitverlängerung von AKWs in Deutschland vor dem Eingang zum Bundesparteitag der Grünen in Bonn Foto: Björn Kietzmann

Berlin afp/rtr | Die Grünen lehnen im koalitionsinternen Atomstreit weitere Zugeständnisse an die FDP bei den AKW-Laufzeiten ab. Parteichefin Ricarda Lang wies am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“ darauf hin, dass die Grünen bereits einen Weiterbetrieb bis maximal zum 15. April 2023 im Rahmen einer Einsatzreserve für zwei süddeutsche AKWs angeboten habe. „Wir sind bereit über unseren Schatten zu springen“, sagte die Parteichefin, jetzt müssten sich auch andere bewegen.

Am Sonntag war bei einem Spitzengespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Kanzleramt ein neuer Versuch gescheitert, eine koalitionsinterne Einigung zu erreichen. Während die Grünen auf ihrem Vorschlag einer Einsatzreserve für die AKWs Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg beharren, fordert die FDP deutlich längere Laufzeiten bis mindestens 2024 auch für das dritte noch am Netz befindliche AKW Emsland sowie möglicherweise noch weitere, bereits stillgelegte Kraftwerke.

Dafür müssten auch neue Brennstäbe beschafft werden, was Lang erneut ausschloss. Dies würde die Atomkraft „für die Zukunft zementieren“, warnte die Grünen-Chefin im ZDF. „Das wäre der falsche Weg für Deutschland.“ Daher sei ihre Partei nur bereit, die beiden süddeutschen AKWs mit den bestehenden Brennstäben weiterlaufen zu lassen, verwies sie auf den entsprechenden Parteitagsbeschluss der Grünen vom Freitag. Diese Position sei zudem „aus der Sache heraus begründet“.

Zu der Festlegung auf das Enddatum 15. April sagte Lang: „Das ist unser Angebot, mit dem wir in die Verhandlungen in der Koalition hineingehen.“ Das Problem könne im Winter die Netzstabilität in Süddeutschland sein, und „dafür treffen wir jetzt Vorsorge“. Danach stünden auch andere Mittel zur Verfügung wie zum Beispiel die verstärkte Einfuhr von Flüssiggas.

Auch das Argument, durch einen längeren AKW-Betrieb würde der Strompreis sinken, wies Lang zurück. „Das Problem ist nicht die Frage der Atomkraftwerke, sondern es ist ein Problem des Strommarktdesigns“, sagte die Grünen-Chefin. Dem werde die Regierung jetzt mit der geplanten Strompreisbremse begegnen. Lang betonte, auch die Einsatzreserve sei bereits ein in der Koalition erzielter Kompromiss, „das ist nicht die urgrüne Linie“.

FDP ebenfalls unnachgiebig

Die FDP-Spitze bekräftigte bei einer Präsidiumssitzung ihre Position, die drei AKWs bis mindestens zum Frühjahr 2024 am Netz zu halten. Die Atomkraft werde als Brückentechnologie gebraucht, sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in Berlin. Dies sei auch eine Frage der europäischen Solidarität. Die Grünen und Wirtschaftsminister Robert Habeck griff Djir-Sarai scharf an. „Wer rote Linien formuliert, handelt aus meiner Sicht unklug und verantwortungslos.“ Die Devise müsse sein, „erst das Land, dann die Partei“, das gelte auch für Habeck. „Alle Optionen müssen auf dem Tisch bleiben.“

Ein Spitzengespräch zwischen Habeck, FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sowie Scholz am Sonntag sei atmosphärisch gut verlaufen, sagte Djir-Sarai. Er hoffe und sei auch zuversichtlich, dass bis Dienstag eine Lösung gefunden werde.

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11 Kommentare

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  • Hat die FDP eigentlich schon mal erläutern, warum die AKWs länger laufen müssen? Oder werden da immer nur wohlfeile Worthülsen aneinander gereiht? Unterschied zw. Grundlast- und Spitzenlastkraftwerken? Was kostet der Weiterbetrieb? Und treiben nicht eher Spekulation die Preise oder warum hat sich der Gaspreise im letzten Monat schon wieder halbiert?

  • Die Grünen sind der FDP mitnichten entgegen gekommen. Die AKW in die Einsatzreserve zu übernehmen ist schlicht notwendig, so hat Habeck es ja auch erläutert.

  • Die FDP möchte also die AKWs länger laufen lassen. Das die vorgeschriebenen Sicherheitsüberprüfungen dies nur in begrenztem Umfang erlauben würden, interessiert die FDP offenbar nur begrenzt..ebenso wie die Sicherheitsfrage dieser Hochrisikotechnolgie so ganz allgemein...

    Schön ist übrigens auch das Argument, man bräuchte die Atomkraft als Brückentechnologie...weil mit dem Argument wurde auch gerne auf Putins Gas zurück gegriffen und im Gegenzug der Ausbau der Erneuerbaren verschlafen...

    Nene...der angebotene Kompromiss der Grünen ist der einzig vernünftige Mittelweg.!!

    ...und die FDP erinnert mich zunehmend an das verwöhnte Kleinkkind, das rumquakt, weil es nicht noch ein Eis mehr bekommt als die Nachbarkinder...

    • @Wunderwelt:

      Das wir im Winter Atomstrom aus Frankreich beziehen scheint sie ja weniger zu stören. Ebenso, dass wir ein globales CO2 Problem haben und Deutschland Kohlekraftwerke wieder in Betrieb nimmt und im weltweiten Vergleich beim CO2-Ausstoß bestenfalls im Mittelfeld liegt - von wegen Vorreiterrolle. Sind die französischen Reaktoren eigentlich sicherer als die deutschen, haben die Franzosen das Endlagerproblem gelöst? Wenn sie so freundlich wären für Aufklärung zu sorgen. Danke.

      • @Nachtsonne:

        Dann haben Sie ja schon mal eines der Probleme der Atomkraft erkannt: Kein Endlager weit und breit in Sicht.

        Und Söder fordert auch nur längere Laufzeit. Aber noch nie hat er abgeboten, die Endlagerung in Bayern vor zu nehmen.

      • 8G
        83191 (Profil gelöscht)
        @Nachtsonne:

        Aus welcher Ecke möchten Sie denn die Brennstäbe beziehen ? Wie sieht denn der CO2 Ausstoß bei der Förderung aus ? Wollen wir die dt. Reaktoren vor Januar noch mal reparieren und Ersatzteile ordern, oder beten wir einfach das es bis 2024 gut geht ?

        Kleiner Hinweis: Einer der Beiden Reaktoren im Süden muss noch diesen Monat diese Reparatur vorausplanen, da er sonst mitten im Winter genau deswegen runter gefahren werden müsste. Und wenn die FDP nicht einmal der Verlängerung dieser Beiden Reaktoren zustimmt, kann der Betreiber nicht planen.

        • @83191 (Profil gelöscht):

          Die CO2-Bilanz für den Bau der entsprechenden Anzahl an WKA ist zumindest nicht geringer.



          Woher die Brennstäbe beziehen? Naja, das ist selbst Herrn Habeck bekannt (auch wenn er es abstritt), denn Westinghouse hat sie schon im Frühjahr angeboten. Dass hier eine Abhängigkeit von Russland bestünde, ist unter der Rubrik FakeNews zu verzeichnen. Der hohe Prozentsatz russischer Uranlieferungen war übrigens die Folge der niedrigen Preise (nicht nur das Gas sollte billig sein). Eine Abhängigkeit von Putin besteht in keinem Fall, egal ob mit oder ohne Kasachstan.

  • Als ginge die Welt unter wenn die Meiler noch 18 Monate laufen würden



    Dann wäre das leidige Thema vom Tisch und zumindest hier würde die Menge an Atommüll nicht mehr weiter steigen.



    Wegen der kurzen Zeit eine Regierungskriese in der weltweiten Kriese vom Zaun zu brechen, nur weil ein Koalitionspartner bei einer Landtagswahl abgestraft wurde, ist kindisch und gefährlich für das Allgemeinwohl.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Ramaz:

      Schauen Sie mal die Serie "Chernobyl" .. oder auch nur die Szene "15000 Roentgen" ...

      Die Welt nicht. Aber wegen Verschandelung der Umgebung die Windräder ablehnen und sich dann die Umgebung mit nem GAU versauen.. wäre schon irgendwie Dämlich.

      Zum Mitschreiben:



      - Die ALTEN Reaktoren sind über 30 Jahre alt.



      - Viele Wartungen sind wegen der Baldigen Abschaltung geplant ausgesetzt, da Ersatzteile bei einer verkürzten Betriebsdauer nicht mehr notwendig waren (sondern diverse Grenzwerte wahrscheinlich noch innerhalb der Toleranz liegen werden).



      - Brennstäbe sind nicht normiert. Das sind Maßanfertigungen. Ersatz muss bestellt und produziert werden. Bisher übrigens meistens bei Russland. Der jetzt geplante Streckbetrieb ist begrenzt anhand der Rest-Leistung der Brennstäbe.

      Neue Kernkraftwerke, nach aktuellem Stand der Technik, sind ein denkbares Konzept (das ich befürworte).

      Die Alten Kraftwerke, die nach einer Demokratischen Entscheidung geplant stillgelegt werden, um 3,5 Monate länger laufen zu lassen, ein Kompromiss.

      Alles weitere ist eine Zumutung.

    • @Ramaz:

      Als ginge die Welt unter, wenn man die Meiler nicht weiter laufen lässt.....

    • @Ramaz:

      Solang wir nicht Stromspeicher mit der Kapazität der im Winter von Atomkraftwerken produzierten Strommenge haben, ist das Thema nur dann vom Tisch, wenn Deutschland seine Klimaziele aufgibt und Kohle verstromt.