: Nicht weit vom Stamm gefallen
Mars-Western und Action im Arthouse: Das Filmfest Oldenburg zeigt Filme des Vater-Sohn-Gespanns Peter und John Hyams
Von Wilfried Hippen
Der eine hat Sean Connery auf einen Jupitermond geschickt, der andere Jean-Claude Van Damme in das Arthousekino. Peter und John Hyams sind Vater und Sohn. Peter Hyams hatte in den 1970er- und 1980er-Jahren Erfolge mit Filmen wie „Outland“ und „Unternehmen Capricorn“, John macht B-Movies, die so anders sind, dass sie von der „seriösen“ Filmkritik hoch gelobt werden.
John wuchs auf den Filmsets seines Vaters auf. Bei dessen Film „Narrow Margin“ arbeitete er im Alter von 20 Jahren als „Grip“, also einer von denen, die für die Technik der Kamera zuständig sind. John ist ein (im besten Sinne des Wortes) folgsamer Sohn von Peter, und die beiden haben auch künstlerisch zusammengearbeitet: John schnitt den letzten Film von Peter, „Enemies Closer“ aus dem Jahr 2013, Peter war Kameramann bei Johns erstem kommerziell erfolgreichen Film „Universal Soldier: Regeneration“.
Eine Retrospektive mit Filmen der beiden ist eine einleuchtende Idee. Und mit solchen Entdeckungen von Filmemacher*innen in der zweiten Reihe hat sich Torsten Neumann, der Leiter des Internationalen Filmfest Oldenburg einen Namen gemacht. So kamen Ken Russell, Jim McBride, George Armitage, Ted Kotcheff, Philippe de Broca und viele andere nach Oldenburg, um dort ihre Filme vorzustellen. Nicht die mit den bekannten Namen, die werden in Berlin, Venedig oder Cannes geehrt, sondern eher die wilden, eigenwilligen RegisseurInnen.
„Das sind die, die nicht so ganz vorne auf den Listen stehen“, sagt Torsten Neumann selber dazu im Telefongespräch mit der taz: „Es sind manchmal die besseren Filmemacher, die aber nicht die großen Erfolge gefeiert haben, weil sie sich nicht verbiegen ließen.“ Neumann war schon als Jugendlicher Fan von Peter Hyams’Spielfilm „Unternehmen Capricorn“, in dem es um eine gefälschte Marslandung geht. „Ich glaube, der lief sogar im DDR-Fernsehen eher als bei uns, weil er ja amerikakritisch war“, erinnert er sich.
Der erste Sci-Fi-Western
Als vor ein paar Jahren zwei Filme von John Hyams in Oldenburg gezeigt wurden, der Regisseur aber nicht kommen konnte, kam er auf die Idee für diese Doppelretrospektive. Der inzwischen 79 Jahre alte Peter Hyams wird nicht nach Oldenburg kommen, am Freitag, den 16. September wird es aber eine einstündige Live-Übertragung mit ihm geben. John Hyams wird in Oldenburg bei allen Aufführungen nicht nur seine eigenen Filme, sondern auch die seines Vaters vorstellen.
John Hyams ist mit den drei Filmen vertreten, die wohl die Höhepunkte seiner Karriere waren: „Unternehmen Capricorn“, mit dem er 1978 auf die Verschwörungstheorien antwortete, nach denen die Mondlandungen der Apollo-Missionen gefälscht waren. Damit der Film noch als Science-Fiction durchgehen konnte, wurde daraus eine Reise zum Mars. O.J. Simpson war einer der Astronauten, Elliott Gould der zerknitterte Journalist, der den Komplott der Nasa aufdeckt.
Gezeigt wird auch Peter Hyams’bekanntester Film „Outland“ aus dem Jahr 1981. Darin spielt Sean Connery einen Marshal auf einer Bergbaustation auf dem Jupitermond Io, der einen Drogenschmuggelring aufdeckt und dann von bezahlten Killern durch die Raumstation gejagt wird. Der Plot erinnert an „Zwölf Uhr mittags“, und tatsächlich wollte Hyams eigentlich einen Western drehen. Aber die waren in den 1980er-Jahren gerade völlig aus der Mode gekommen. Hyams änderte in seinem Drehbuch im Grunde nur die Spielorte und inszenierte den ersten SF-Western-Genre-Hybriden.
Der dritte Film im Programm ist „Narrow Margin“ aus dem Jahr 1990, ein Remake des gleichnamigen Film noir von Richard Fleischer von 1952. Das Kernstück des Films ist eine lange Zugfahrt, auf der eine Zeugin umgebracht werden soll, damit sie nicht gegen einen Gangster aussagen kann. Gene Hackman spielt einen Staatsanwalt, der versucht, sie zu retten. Für Torsten Neumann ist dies ein gutes Beispiel für Peter Hyams’Arbeitsweise: „Hier setzte er sich gegen die Gewerkschaft durch, die verhindern wollten, dass er zugleich Regie führte und an der Kamera arbeitete. Er ist einer von den Regisseuren, die die Kontrolle über ihre Filme behalten, obwohl sie im System arbeiten. Solche Filme gibt es heute, in den Zeiten der Superblockbuster über Superhelden nicht mehr“, sagt er. Es fehlt übrigens „2010: Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen“, Peter Hyams’Fortsetzung von Stanley Kubricks „2001“ aus dem Jahr 1984.
B-Movies als Freiraum
Auch für John Hyams sind billig produzierte B-Movies eine Nische, in der er mit erstaunlich großen künstlerischen Freiheiten arbeiten kann. In Oldenburg werden sechs seiner Filme gezeigt, darunter sein neuster „Sick“: ein Horrorfilm, der während des Corona-Lockdowns spielt und dessen Weltpremiere gerade auf dem Filmfestival in Toronto stattfand. Die internationale Premiere kann deshalb in Oldenburg gefeiert werden.
Seinen Durchbruch feierte John Hyams aber schon 2012 mit dem Film „Universal Soldier: Day of Reckoning“, der von den Kritiker*innen der New York Times, der L.A. Times und des New Yorkergelobt wurde. Mit „Universal Soldier: Regeneration“ hatte Hyams 2009 eine erfolgreiche Fortsetzung der Filmreihe über menschliche Klone, die als Kriegsmaschinen eingesetzt werden, inszeniert. Da Hyams auch bei der Fortsetzung der Fortsetzung wieder mit den alten Action-Haudegen Jean-Claude van Damme und Dolph Lundgren arbeiten konnte, ließ das Studio ihm freie Hand, und er nutze diesen Freiraum, um eine Art Anti-Actionfilm zu drehen: einen Film, in dem alle Gewaltakte tragische Konsequenzen haben, und der in einer düsteren Welt unter entmenschlichten Schlächtern spielt.
Hyams’schockierende Bildsprache und seine konsequente Weigerung, Genrekonventionen zu folgen, machen „Universal Soldier: Day of Reckoning“ zu einem Autorenfilm, der die Formen des Actionfilms sprengt. Ein Geheimtipp, der niemanden kalt lässt.
29. Internationales Filmfest Oldenburg: Mi, 14. 9., bis So, 18. 9., Infos: https://www.filmfest-oldenburg.de
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