Berliner SPD und Mie­te­npolitik: Bedrohte Selbstorganisation

Verwaltung lässt „Initiativenforum Stadtpolitik Berlin“ neu ausschreiben: Soll ein zentrales Instrument der Mie­ter­be­we­gung abgewickelt werden?

"Miete neu 1.700 - Miete alt 700" steht auf einem Transpi an einer Berliner Hauswand

Je höher die Mieten, desto stärker der Protest. Doch Kritik an ihrer MIetenpolitik mag die SPD nicht Foto: dpa

BERLIN taz | Das „Initiativenforum Stadtpolitik Berlin“, eine der zentralen Mie­te­r:in­nen­in­itia­ti­ven der Stadt, kurz Ini-Forum genannt, ist in seiner bestehenden Form bedroht. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter der Führung von Andreas Geisel (SPD) hat die Förderung des Projekts neu ausgeschrieben. Damit ist es möglich, dass das Projekt zukünftig von einem anderem Träger mit anderen Strukturen ausgeführt wird. Der Beirat des Ini-Forums kritisiert, durch die erneute Ausschreibung würden „funktionierende Strukturen ignoriert und die Zukunft des Initiativenforums in Frage gestellt“.

Das Forum ist eine Art Meta-Initiative für die zahlreichen Zusammenschlüsse der Berliner Mieter:innen. Will sich beispielsweise eine Hausgemeinschaft gegen den Verkauf ihres Wohnhauses wehren, liefert das Ini-Forum das nötige Know-How, unterstützt bei der Vernetzung und kann politischen Druck aufbauen. Vierteljährig veranstaltet das Forum Hearings im Abgeordnetenhaus, in denen die Anliegen der Bewegung an die Politik getragen werden. Aufmerksamkeit generierte auch die Veröffentlichung des „mietenpolitischen Dossiers“ im vergangenen Jahr, in dem teils kontroverse Vorschläge für den Wohnungsmarkt aus der Bewegung aufbereitet wurden. Als Institution ist das Forum bundesweit einzigartig.

Auf taz-Nachfrage betont Martin Pallgen, Sprecher der Verwaltung für Stadtentwicklung, dass es sich bei der Ausschreibung um einen regulären Vorgang handle. Die Förderung sei Ende 2021 ausgelaufen. Der aktuelle Haushalt sehe zwar eine „Weiterführung“ vor, grundsätzlich könnten aber nur Projekte und keine bestimmten Trägervereine gefördert werden. Eine schlichte „Weiterförderung“ sei also gar nicht möglich. Der derzeitige Träger – die Stadtprojekte e.V. – könne sich erneut bewerben.

Pallgen betont auch, der Projektaufruf stehe „sachlich nicht im Widerspruch zur bisherigen Förderung“. In der Ausschreibung heißt es allerdings, gefördert werden solle der „Austausch zwischen Initiativen und Vereinen zu wohnungs- und mietenpolitischen Fragen“. Von einer Schnittstelle zwischen Parlament und Bewegung ist keine Rede mehr. Die Ausschreibung habe deshalb „mit dem Initiativenforum in seiner aktuellen Form nichts mehr zu tun“, heißt es vom Beirat. Magnus Hengge von Bizim Kiez, der sich im dort engagiert, sagte der taz, wenn nun ein nun ein neuer Träger die Gelder erhalte, müsse dieser das Ini-Forum neu aufziehen. Er kritisiert, dass die Ausschreibung nicht festlegt, dass das Team und der Beirat übernommen werden muss.

SPD hält nichts von kooperativen Ideen

Für Hengge steht der Verdacht im Raum, dass Stadtentwicklungsenator Geisel (SPD) mit der Ausschreibung versuchen könnte, „einen zentralen Erfolg der Mietenbewegung abzuwickeln“. Die Idee für das Ini-Forum stammt aus der Mie­te­r:in­nen­be­we­gung, wurde aber von Geisels Vorgängerin Katrin Lompscher (Linke) umgesetzt. „Aus der SPD hat man während der Koalitionsverhandlungen ja immer wieder gehört, dass man dort nichts von kooperativen Ideen hält“, sagt Hengge. Gut möglich scheint ihm, dass Geisel über die Ausschreibung einen Ansatz aus der Lompscher-Zeit abwickeln will.

„Wir wissen, dass wir die Ausschreibung nicht mehr verhindern können“, sagt Hengge. „Aber wir fordern, dass wir als Beirat in die Projektvergabe miteinbezogen werden“. Das besondere am Ini-Forum sei seine selbstorganisierte Arbeitsweise, die dürfe nicht gefährdet werden. „Wenn das Forum von der Verwaltung gesteuert wird, verliert es den Rückhalt aus der Bewegung“, warnt er.

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