ORTSTERMIN: KONSTITUIERENDE SITZUNG DES KIELER LANDTAGS: Die meisten sind wieder da
Der Alterspräsident eines Landtags ist mitnichten der älteste Abgeordnete, sondern der Älteste unter denen, die dem Parlament am längsten angehören. Dieser Unterschied muss Wolfgang Kubicki wichtig sein, denn er betont ihn mehrfach. Ansonsten genießt es der FDP-Fraktionsvorsitzende sichtlich, den Landtag mal von oben zu sehen, vom Präsidententisch aus. Und nutzt die Chance, die 69 Abgeordneten auf die Arbeit im 18. Schleswig-Holsteinischen Parlament einzustimmen. „Das Gegenteil von Transparenz ist nicht Intransparenz“, sagt Kubicki, „sondern Vertraulichkeit.“ Nicht jede Debatte, jedes Gespräch müsse öffentlich gemacht werden.
Seit Tagen hat die Landtagsverwaltung Stühle und Tische gerückt, die Plätze neu sortiert: Durch das Ausscheiden der Linken ist die SPD wieder auf die Plätze links vom Pult gerutscht, es folgen die Grünen, die drei Sitze SSW, sechs Piraten, CDU und, ganz rechts, die FDP. Die Piraten-Tische sind klar zu erkennen: Es stehen aufgeklappte Laptops darauf. Nur bei Angelika Beer fehlt die Technik. Dafür genießt die ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen und Ex-Europaabgeordnete die besondere Aufmerksamkeit der Medien.
Wobei die ohnehin viel zu filmen, zu interviewen und zu fotografieren haben: Torsten Albig zum Beispiel, der – so nicht irgendetwas schiefgeht – in der kommenden Woche Ministerpräsident wird. Oder Peter Harry Carstensen, der das noch ist. Die schwarz-gelbe Ministerriege, von denen einige dem Parlament nicht mehr angehören, während der Innenminister Klaus Schlie auf den Stuhl des Landtagspräsidenten wechselt: 56 Abgeordnete geben dem CDU-Mann ihre Stimmen.
Der Tag der konstituierenden Sitzung fühlt sich an wie in der Schule nach den Sommerferien. Alle – na ja, die meisten jedenfalls – sind wieder da. Man muss sich die neuen Plätze suchen, sich in neue Rollen einfinden. Wer grade noch Regierung war, darf wieder oppositionell lästern, wer regieren will, bemüht sich um staatstragende Würde. Ralf Stegner indes, SPD-Landeschef und Fraktionsvorsitzender, trägt keine seiner gewohnten Fliegen, zumindest nicht mehr auf dem Weg zur Kantine. Ein Signal? Aber was für eines?
„Wir haben schon viel lernen können, glauben aber auch, dass Sie ein Stück von uns lernen können“, sagt Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer bei seinem ersten Auftritt am Rednerpult. Die Piraten beantragen unter anderem, Sitzungen auch der Landtags-Ausschüsse im Internet zu übertragen, das passiert zurzeit nur mit Plenardebatten. Alle Korrespondenz solle im Internet veröffentlicht, namentliche Abstimmung erleichtert werden. Und der Ältestenrat, ein aus allen Fraktionen besetztes Gremium, solle öffentlich tagen.
Mit großer Mehrheit lehnt das Parlament diese letzte Forderung zwar ab – aber Schlie überweist den Antrag an den Innen- und Rechtsausschuss: Das gibt den Piraten die Chance, dort für ihre Forderung zu werben – trotzdem stimmt Breyer gegen die Überweisung. EST
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