piwik no script img

Neonazis auf dem Heimweg „aktiv“

NAZI-ÜBERGRIFFE Nach ihrer Demo in Hamburg haben Neonazis am Samstag mehrfach Linke angegriffen. Im Bremer Hauptbahnhof kam es zu einer Massenschlägerei und zu Jagdszenen über die Bahngleise

Im Bremer Hauptbahnhof ist es am Samstag nach dem Neonazi-Aufmarsch in Hamburg zu einer Massenschlägerei gekommen. Etwa 70 Neonazis und ebenso viele Linke gingen mit Schlägen, Tritten und Pfefferspray aufeinander los, Steine und Flaschen flogen. Einige flüchteten über die Gleise, knapp an einfahrenden Züge vorbei. Während die Polizei von einem „Angriff von 80 Linksautonomen“ spricht, berichten die Linken von einer Polizei, die die aggressiven Neonazis nicht im Griff hatte.

„Was in Bremen passiert ist, haben wir der Polizei schon vorausgesagt“, sagt der Antifaschist Alex* zur taz. Mit etwa 40 Anderen, die Meisten zwischen 17 und 20 Jahren alt, hatte er sich in Hamburg kurz nach 21 Uhr auf die Rückreise von den Blockaden gemacht. „Schon da bekamen wir die Info, dass in Harburg noch Neonazis am Gleis stehen und Züge mit Antifas angegriffen haben.“ Mindestens 40 Neonazis wurden dort eine Zeit lang von der Polizei festgehalten, es soll vier Festnahmen gegeben haben.

Der Zug nach Bremen hält in Harburg. Beinahe stürmen die Neonazis ins Abteil der Linken, erst im letzten Moment gehen PolizistInnen dazwischen. Einige Linke versuchen, mit dem Einsatzleiter zu diskutieren, um die gemeinsame Reise mit den Neonazis abzuwenden. Es sei der letzte Zug ins Ruhrgebiet, habe der nur geantwortet. „Die wollten die Nazis loswerden“, sagt Alex. Als es so aussieht, als würden die PolizistInnen nicht mal selbst mit in den Zug steigen, habe jemand die Notbremse gezogen – „wir hatten echt Schiss, dass die die Gefahr nicht begreifen“.

Tatsächlich hat die Polizei eine andere Einschätzung: „Es waren nur Normal-Reisende im Zug und definitiv keine Linksautonomen“, so Thorsten Völlmecke, Sprecher der Bundespolizeidirektion Hannover, die die Abreise der Demonstrationsteilnehmer vom Samstag koordiniert hat. Die Notbremse sei gezogen worden, von wem aber sei unklar, so Völlmecke. Mit etwa 35 PolizistInnen sei die Fahrt der 70 Neonazis begleitet worden, „ganz regulär“, mit geschlossenen Abteiltüren.

Bis Bremen blieb es ruhig. „Wir dachten, wir werden von einer Polizei-Hundertschaft empfangen“, so Alex. Darauf allein aber wollten sich die Linken nicht verlassen, riefen Freunde an. Schon bei der Einfahrt wurde klar: Die Polizei war nicht da, stand auf dem falschen Gleis.

Als die Türen aufgingen, prallten die Gruppen direkt aufeinander. Laut Alex griffen die Neonazis vor allem die etwa 35 Linken an, die zum Empfang am Gleis gewartet hatten. Die Polizisten aus dem Zug seien völlig überrascht gewesen, alle Parteien hätten wild mit Pfefferspray umher gesprüht. „Einige von uns sind panisch über die Gleise abgehauen, die Nazis hinterher“, so Alex.

Laut Polizei seien die Autonomen über die Gleise gerannt, um den Zug mit den Neonazis anzugreifen, vier Beamte seien von ihnen durch Pfefferspray verletzt worden, so Polizeisprecher Völlmecke. Die Ermittlungen wegen Körperverletzung und Landfriedensbruchs dauern an.

Auch in Uelzen stießen Linke und Rechte am Samstag noch aufeinander, die Polizei hat nach eigenen Angaben „Schlimmeres“ verhindert. In Hannover hat die Polizei aus diesem Grund eine Gruppe Neonazis bereits in Langenhagen aussteigen lassen.

Vor allem der Weg der „Autonomen Nationalisten“ aus Dortmund und dem Ruhrgebiet führt über Bremen, Uelzen und Hannover. Diese sind für Übergriffe bekannt und setzten um, was der Neonazi Thomas Wulff auf seiner Abschlussrede in Hamburg empfahl: doch auf der Heimreise noch „aktiv“ zu werden.  JPB/AS

* Name geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen