piwik no script img

Mountainbiker*innenauf Abwegen

Waldspaziergang (II): Die taz nord beschäftigt sich in dieser Serie mit dem Sehnsuchtsort der Deutschen, dem Wald. Doch wie idyllisch ist es dort noch, bei so viel Freizeitsport?

Runter geht‘s vom Brocken mit Tempo: deshalb lieber mit Helm Foto: Matthias Bein/dpa

Von Hannah Reupert

Menschenmassen bewegen sich durch die Berglandschaft im Harz, rauf auf den Brocken. Wander*innen in Kniestrümpfen und karierten Shorts laufen vor Familien mit quengelnden Kindern; sonnenverbrannte Junggesell*in­nen mit Dosenbier werden von den vielen auf- und ab flitzenden Mountainbiker*in­nen mit neonfarbenen Helmen überholt. Ab und zu dampft die Brockenbahn pfeifend vorbei.

„In den 60ern war das Skilaufen Mode, nun ist es das Mountainbike fahren“, sagt der ehemalige Sprecher des Nationalparkfördervereins Friedhart Knolle. Knallige Skianzüge sind Radlerhosen gewichen. Gut, es ist Sommer. Aber das Mountainbiken ist ein Trend, der mehr und mehr Fans gewinnt. Das merkt man auch im Wald.

Die Facetten des Radsports reichen von Cross Country über Freeride zum beliebten Abfahren von künstlich angelegten, teilweise illegalen, Downhillstrecken. Mit Schaufeln und Sägen wird der Boden teils begradigt, es werden Rampen und Schanzen in den Wald gebaut, wo die Biker runterjagen und jumpen. Forstämter und Naturschutzbehörden beobachten besonders das Downhill-Biking mit Sorge. Es verursacht Erosion, schadet der Flora und stört geschützte Tierarten. Seit mindestens zehn Jahren schwelt hier ein Konflikt mit verhärteten Fronten.

Besonders im Deister bei Hannover gibt es eine große Biker-Szene. Das Downhill-Cycling nehme seit Jahren zu, sagt Klaus Abelmann von der Region Hannover, die auch die Untere Naturschutzbehöde ist. Verstärkt werde das durch die E-Bikes, die es leichter machen, die Berge zu erklimmen.

Christian Boele-Keimer von den Landesforsten beklagt das Selbstbewusstsein der Biker-Szene, die einfach mit dem Bau beginne, nach dem Motto: Wenn ihr uns keine Strecken gebt, fahren wir trotzdem. „Die scheinen fast schon Freude zu haben an diesem Katz-und-Maus-Spiel“, sagt er.

Die Forstämter wollen aber vor dem Bau gefragt werden. „Die meisten wissen gar nicht, worauf sie sich da bewegen, man muss in dem Prozess auch mal inne halten“, sagt Boele-Keimer. Der Deister sei teils ein historischer Wölbeacker mit alten Wallanlagen und stehe unter Bodendenkmalschutz. Als Verbündete bezeichnet Boele-Keimer Deisterfreun.de, einen 2012 gegründeten Verein von Mountainbiker*innen, der sich für mehr legale Strecken und die Interessen der Szene einsetzt. Er arbeitet nach anfänglichem Disput inzwischen mit den Forstämtern zusammen und reguliert den Andrang.

Die Vorstandsvorsitzende der Deisterfreunde Christina Hachmann kritisiert, dass die Biker oft als kriminell und rücksichtslos abgestempelt würden. Gegne­r*in­nen der Szene hätten sogar schon Nägel und angespitzte Stöcke auf den Trails angebracht.

Deisterfreunde als zweitgrößter deutsche Mountainbike-Verein zählt bald 1.000 Mitglieder und verfügt nur über 2,5 legale Strecken. Demgegenüber gibt es 60 informelle Strecken. Wenn genügend legale Strecken da wären, bräuchte es auch keine illegalen, argumentiert Hachmann. Sie verweist auf das niedersächsische Waldgesetz, das vorsieht, Wege als Freizeitangebot zu schaffen. Der Verein hat Verträge mit der Region Hannover, die aber nur dann mehr Strecken bewilligen will, wenn ausschließlich auf den legalen Strecken gefahren wird.

Der Verein bietet an, drei illegale Trails zurückzubauen, wenn drei neue legale Trails genehmigt würden. Nach den im nächsten Jahr zu erwartenden Befunden einer Machbarkeitsstudie der Region Hannover über die Deisternutzung wolle man diesem Vorschlag prüfen, verspricht Boele-Keimer.

Auch im Harz sind Mountainbike-Routen ausgewiesen und auch hier werden ab und zu illegale Trails entdeckt. Den Skitrend in den 60ern habe man durch ein Loipen-Netz reguliert, sagt der Naturschützer Knolle. Es gebe aber immer zwei Prozent, die einfach in die Wildnis wollten.

Schlimmer ist Abfahrt-Ski. Hierfür wurde großflächig Wald gerodet. Vorschlag zur Güte: Angesichts der milden Winter könnte man den Bikern doch glatt Schaufeln in die Hände drücken, ihnen die nackten Waldschneisen zur Verfügung stellen und sagen: Hier, tobt euch aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen