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Gesundheitsgefahr durch VerpackungFett durch Plastik

Eine Studie zeigt: Plastik enthält mehr Dickmacher als bisher angenommen. Auch Ersatzstoffe erweisen sich als bedenklich.

Plastikbecher sind nicht nur ökologisch ein Problem – sie können auch die Gesundheit beeinträchtigen Foto: Pablo Garcia/imago

Dass Latte macchiato und Schoko-Vanille-Pudding dick machen können, lässt sich erahnen. Denn mit ihrem hohen Fett- und Zuckeranteil liefern sie viele Kalorien. Doch aktuelle Studien zeigen nun, dass sie – sofern sie in Plastikbechern verkauft werden – auch über ihre Verpackung zum Übergewicht beitragen können.

Ein Forscherteam der norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie untersuchte 34 alltägliche Kunststoffprodukte auf ihren Chemikaliengehalt. Unter ihnen waren Küchenschwämme und Shampoo­fla­schen, aber auch viele Lebensmittelver­packungen, wie etwa Getränkeflaschen sowie Joghurt- und Kaffeebecher. Man fand in ihnen sage und schreibe 55.000 verschiedene chemische Bestandteile, von denen sich gerade mal 629 identifizieren ließen.

Anschließend brachte man im Labor die einzelnen Kunststoffe in Kontakt mit Mäusezellkulturen, um zu testen, wie sie sich auf das Gewebe auswirkten. Das Ergebnis: Bei etwa jedem dritten Plastikextrakt zeigte sich eine deutliche Zunahme der Fettzellen.

Ihre Vorläuferzellen waren offenbar so umprogrammiert worden, dass sie sich öfter als sonst zu potenten Fettspeichern verwandelten. Vier von den Dickmacher-Kunststoffen waren in dieser Hinsicht sogar effektiver als das Diabetesmedikament Rosiglitazon, das in der Medizin einen etwas zweifelhaften Ruf hat. Denn es mobilisiert die Produktion von Fettzellen, damit sie den überschüssigen Zucker aus dem Blut ziehen.

„Unsere Experimente zeigen, dass handelsübliche Plastikprodukte eine Mischung von Substanzen enthalten, die ein relevanter und unterschätzter Faktor für Übergewicht und Fettleibigkeit sein können“, resümiert Martin Wagner, einer der Studienautoren. Er stammt aus Deutschland, forscht aber mittlerweile in Trondheim zur Umwelttoxikologie.

Unbekannte Dickmacher

Was er mit seinen Kollegen außerdem ermittelte: dass sich der genaue Hauptschuldige für das Fettwachstum nicht ermitteln ließ. Denn das sprang nicht nur bei Plastikextrakten an, von denen man es erwartet hätte, weil sie Bisphenol A oder andere anerkannte Fettbooster-Substanzen enthielten. Sondern auch bei jenen Extrakten, denen man das aufgrund ihrer unverdächtigen Bestandteile nicht zugetraut hätte. Plastik birgt also offenbar noch weitere Substanzen mit Dickmacher-Potenzial.

Heiße Kandidaten dafür sind ausgerechnet die Bisphenole S und F, die von der Plastikindustrie zunehmend als Alternative zu Bisphenol A eingesetzt werden, weil sie weniger hormonaktiv sein und dadurch weniger auf den Stoffwechsel wirken sollen. Doch der Dickmacher-Effekt lässt sich dadurch wohl nicht ausschalten, wie US-Forscher um Melanie Jacobson von der NYU School of Medicine in New York herausgefunden haben. Demnach steigert Bisphenol S das Übergewichtsrisiko bei Kindern und Jugendlichen um mehr als 10 Prozent, und bei der F-Variante sogar um fast 30 Prozent. Scheint also, als würde hier der Teufel mit dem Beelzebub vertrieben.

Globales Problem

Seit den 1950er-Jahren hat sich die weltweite Plastikproduktion um das 230-fache erhöht; sie liegt jetzt bei jährlich 460 Millionen Tonnen.

Jeder einzelne Mensch eines Industrie- oder Schwellenlandes verbraucht derzeit 156 Kilogramm Kunststoff pro Jahr.

Im Februar dieses Jahres brachten die UN ein Abkommen zur Bekämpfung der globalen Plastikmüllflut auf den Weg. Die Vereinbarung soll spätestens Ende 2024 rechtsverbindlich werden.

Japanische Forscher haben außerdem in einer Auswertung des weltweit verfügbaren Studienmaterials herausgefunden, dass neben den Bisphenolen auch Perfluoroctansäure (PFOA) „eine konsistente Rolle als künstlicher Dickmacher“ spielt. Bei der Herstellung von Verpackungen wird sie gerne als „Distanzhalter“ eingesetzt, um etwa Kochgeschirr oder Lebensmittelverpackungen wasser- und ölabweisend zu machen. Doch im Körper hält sie weniger Distanz, mischt sich gerne in die Arbeiten der Schilddrüse ein. Menschen mit sehr hohen PFOA-Werten leiden etwa doppelt so oft unter einer Schilddrüsenunterfunktion, so dass weniger Stoffwechsel aktivierende Hormone gebildet werden – und das mündet bekanntlich schnell in Übergewicht.

Plastik enthält also viele unterschiedliche Substanzen mit Dickmacher-Potential, und mittlerweile steht auch fest, dass es diese nicht für sich behält, sondern bei Lebensmittelverpackungen fleißig an das abgibt, was der Mensch schließlich isst oder trinkt. „Seine Chemikalien sind nicht fest im Material gebunden und können auslaugen, also in die verpackten Lebensmittel übergehen“, erklärt Wagner. „Dieses Phänomen nennt man Migration.“

Verstärkt wird sie durch die Konsistenz des Nahrungsmittels, etwa durch ihren Säure- oder Fettgehalt. Und auch die Temperatur spielt eine große Rolle. „Jeder, der einmal eine Plastikflasche im heißen Auto hat liegen lassen, kann das schmecken“, so Wagner. In Gestalt eines chemisch-fruchtigen Geschmacks, der durch das verstärkte Auslaugen von Acetaldehyd entsteht. Das allerdings, so der Umwelttoxikologe weiter, sei zwar ein „süßliches Fehl­aroma“, doch gesundheitsschädlich sei es nicht.

Problematischer sind da schon die beliebten Coffee-to-go-Becher. Sie sind innen mit einer wasserabweisenden Beschichtung aus poly- oder perfluoridierten Chemikalien versehen, die – ähnlich wie Bisphenol A – zu den hormonaktiven Substanzen gehören. Mittlerweile gibt es zwar schon Becher aus sogenanntem Bio- oder Bambusplastik. Doch Wagner warnt, dass wir bislang „über deren tatsächliche Sicherheit und Nachhaltigkeit nur unzureichende wissenschaftliche Erkenntnisse haben“. Der gute alte Keramik- oder Edelstahl­becher sei da die weitaus bessere ­Alternative.

Weitere Möglichkeiten, um seinen Kontakt zu den künstlichen Dickmachern zu verringern: statt Plastiktellern und Trinkhalmen nur noch Mehrweggeschirr nutzen, Obst und Gemüse nur noch lose einkaufen, das Speiseeis in der Waffel bestellen, statt im Plastikbecher. Und wenn die Lebensmittelverpackung schon unvermeidlich ist, sollte man wenigstens darauf achten, dass auf ihr – im sogenannten Recycling-Dreieck auf dem Boden – nicht die Nummern 3 (PVC), 6 (Polystyren) und 7 (andere Kunststoffe) aufgedruckt sind. Denn die könnten, warnt Wagner, „bedenkliche Chemikalien freisetzen“.

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4 Kommentare

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  • OK, Plastik enthält also Substanzen, die dick machen.

    Leider wird hier zu wenig über das Ausmaß gesagt, in dem diese Inhaltsstoffe von Plastikgefäßen auf Nahrung übergehen und wie das im Menschen wirkt. Da würde ich mir mehr Zahlen und detailliertere Erklärungen wünschen.

    Stattdessen werden Dinge erwähnt, deren Aussagekraft gegen Null geht: Mäusezellkulturen, die voll mit den Kunststoffen in Berührung kommen, sagen wenig darüber aus, womit zu rechnen ist, wenn geringe Mengen an der Nahrung anhaftender Rückstände in den Körper gelangen.

    Zu tatsächlichen Problemen durch Plastikrückstände, die von der Nahrung aufgenommen werden, werden zwar Dinge gesagt, z.B. im Hinblick auf PFOA, aber das könnte doch deutlich detaillierter sein.

    Ab welcher Menge wird es bedenklich, wo muss man Grenzwerte festlegen? Wie hoch ist in der Bevölkerung der Anteil von Personen, die durch Plastikrückstände in der Nahrung einen relevanten gesundheitlichen Schaden haben?

    Plastik ist natürlich in vieler Hinsicht ein Problem. Nach meinem Kenntnisstand sind die Umweltprobleme deutlich schwerwiegender als die gesundheitlichen Nebenwirkungen von Plastik. Unabhängig vom Ausmaß letzterer sollte man allein schon wegen der Umweltproblematik verstärkt weltweit an der massiven Reduktion des Plastikverbrauchs arbeiten.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Man darf sich ja mal fragen, wer denn so gerne mit Plastikbechern und Plastikverpackungen für Burger so in der Gegend rumläuft.



    Die Rentner sind es nicht!

  • Ich vermute, der Autor hat den Artikel nicht sorgfältig gelesen. Die 55000 Features sind die gesamten MS/MS Datenpunkte in allen Problem - mit reichlich Duplikaten für gebräuchliche Verbindungen in parallelen Proben. Die Zahl der wirklich unterschiedlichen Chemikalien ist viel, viel geringer und die Identifikationsrate viel besser als angedeutet. Alles andere wäre auch schlechte Wissenschaft.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Er stammt aus Deutschland, forscht aber mittlerweile in Trondheim zur Umwelttoxikologie."

    Bitte mal nachzählen, wie viele unabhängige, universitäre Forschungs- und Lehranstalten es in Deutschland im Bereich Umwelttoxikologie (noch) gibt.