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Ringtausch von Panzern für UkraineZurück auf null

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Die alte Diskussion über Waffenlieferungen für die Ukraine beginnt von vorne – diesmal nur mit schlechteren Argumenten.

Die Verteidigungsministerin Lambrecht Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

D ie Ankündigung der Verteidigungsministerin klang definitiv. Drei Monate und vier Tage ist es her, dass sie erstmals von einem Ringtausch zugunsten der Ukraine sprach. „Die nächsten zwei Wochen“ würden die entscheidenden im Kampf gegen die russische Invasion, sagte Christine Lambrecht damals. Also müsse es jetzt schnell gehen: In „wenigen Tagen“ erhalte die Ukraine Panzer sowjetischer Bauart. Die Bundesrepublik ersetze sie den vorherigen Eigentümern dann mit deutschem Material.

Eine Ankündigung, die der Ministerin und mit ihr auch dem Kanzler jetzt auf die Füße fällt: Einige ehemalige Ostblockstaaten haben der Ukraine mittlerweile zwar tatsächlich alte Panzer vermacht. Ersatz aus Deutschland ist bisher aber nirgendwo angekommen. Die Frage, ob sie überhaupt schon eine einzige Vereinbarung getroffen hat, beantwortet die Bundesregierung nicht. Das Ringtauschkonzept droht zu scheitern, überraschend ist das nicht.

Als Lambrecht im April mit ihrer Ankündigung in die Offensive ging, hatten die Fachleute aus ihrem Haus noch nicht mal Kontakt mit dem slowenischen Verteidigungsministerium aufgenommen, mit dem der erste Ringtausch vereinbart werden sollte. Die Verteidigungsministerin war vorgeprescht, ohne etwas in der Hand zu haben – offenbar um den Rufen aus Öffentlichkeit, Koalition und Nato endlich etwas entgegensetzen zu können. Kurzfristig war dieser Versuch erfolgreich. Der Druck auf die SPD, sich stärker für Waffenlieferungen zu öffnen, sank.

Gleichzeitig sanken aber wohl auch die Chancen, tatsächlich zu erfolgreichen Abschlüssen zu kommen. Auch Verhandlungen über einen Ringtausch atmen nicht nur den Geist der Ukrainesolidarität. Sie werden von Interessen begleitet: Deutschland will möglichst wenige und möglichst alte Panzer abgeben, die Verhandlungspartner wollen möglichst viele und möglichst neue bekommen. Durch Lambrechts Gang an die Öffentlichkeit stieg der Erfolgsdruck. Der eigenen Verhandlungsposition hilft so was nicht unbedingt.

Drei Monate später ist die Bundesregierung jedenfalls zurück am Ausgangspunkt, und die alte Diskussion über Waffenlieferungen beginnt von vorne – diesmal nur mit schlechteren Argumenten aufseiten von Lambrecht und Scholz: Einige komplexe Waffensysteme, Panzerhaubitzen und Flugabwehrpanzer hat Deutschland mittlerweile ja geliefert. Die ukrainische Armee kann nach kurzer Ausbildung damit umgehen. Warum das mit Kampf- und Schützenpanzern nicht genauso funktionieren sollte, erschließt sich jetzt nicht mehr.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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3 Kommentare

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  • Die meisten Politiker können in Krisen an Profil gewinnen.



    Die aktuelle deutsche Verteidigungsministerin schafft das nicht.



    Viel schlimmer ist aber, dass Deutschland durch ihre Politik weder pazifistisch noch neutral noch offensiv wirkt, sondern für Freund und Feind einfach nicht zu gebrauchen ist.

  • Das Ding ist halt, dass eine in diesen Dingen weitestgehend unbewanderte Ministerin den osteuropäischen NATO-Staaten im Rahmen dieser Ringtausch-Aktion Waffen versprochen hat, die es noch gar nicht gibt, oder die die BW nicht abgeben kann, weil sie die selber braucht, oder zu brauchen glaubt.

    Wenn man unfähiges Personal einsetzt, gelingt kein Projekt, und es gibt am Ende nur schlechte Presse.

  • Was sie auch treibt, sie ist eine inkompetente Politikerin. Das war schon bei der Thomas Cook-Pleite so, als sie erst durch Gerichtsentscheidungen begriffen hatte, dass der Staat viele Betroffene entschädigen musste, weil er die EU-Garantieregeln nicht umgesetzt hatte. Beim Ukraine-Krieg, wo es für die Menschen um ihr Überleben ohne Putin geht, daddelt sie genauso vor sich hin, einer SPD-Linie folgend, die immer noch nicht begriffen hat, wie Putin einzuschätzen ist. Lambrecht und Scholz sind die Schwachpunkte in der Front gegen den Gaskrieger aus dem Osten, ich denke, das hat dieser auch einkalkuliert. Um die Trägheit dieses parlamentarischen Systems zu überwinden, fehlen uns einfach mutige und unabhängige Politiker. Auch Habeck, der sich von den Profitjägern kirre machen lässt, ist da keine Ausnahme. Wenn die Politik vor spätestens zehn Jahren die Herstellung z.B. von Plastik untersagt hatte, würde heute viel weniger Gas umweltschädlich verheizt. Die Abhängigkeit von Zulieferern der Luxus-Scheiße rächt sich jetzt und das ist nicht nur eib Versagen von fast allen politischen Parteien, sondern auch der kritischen Öffentlichkeit einschlisslich der Wissenschaft. Nur ganz kleine Minibrötchen, regional und mit weniger Aufwand hergestellt und vertrieben, verhindert, dass wir hungern und frieren müssen. Rücken wir zusammen gegen Putin.