Sexueller Missbrauch: 30 Jahre Haft für R. Kelly
Der einstige Superstar wurde trotz massiver Vorwürfe lange nicht juristisch belangt. Nach dem Schuldspruch im letzten Jahr steht nun das Strafmaß gegen R. Kelly fest.
Vor der Bekanntgabe des Hafturteils schilderten einige Opfer dem Gericht unter Tränen, wie Kelly sie getäuscht und ausgebeutet habe. Eine Klägerin wandte sich direkt an den gefallenen Star. „Ich habe mir buchstäblich den Tod gewünscht, weil ich mich wegen dir so schlecht gefühlt habe“, sagte sie zu Kelly, der die Hände gefaltet und die Augen niedergeschlagen hielt. „Erinnerst du dich daran?“
Im Prozess berichteten Klägerinnen von Perversitäten und Sadismus. Sie hätten Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben müssen. Einige sagten, sie hätten befürchtet, Kelly werde Videos veröffentlichen, die er beim Sex mit ihnen aufgenommen habe, falls sie über das Vorgefallene berichten sollten. Auch bedroht oder mit Schlägen aufs Gesäß bestraft wurden die Opfer demnach, wenn sie eine von „Robs Regeln“ brachen.
Die Staatsanwälte warfen dem Ex-Star mit dem bürgerlichen Namen Robert Sylvester Kelly vor, Ruhm, Geld und Popularität genutzt zu haben, um systematisch Kinder und junge Frauen für seine sexuelle Befriedigung zu missbrauchen. Fast 30 Jahre habe er seine Verbrechen ungestraft verüben können. Seine Manager und Mitarbeiter hätten ihm Mädchen zugeführt und dabei geholfen, sie ihm gefügig zu machen. Kelly erklärte sich für unschuldig, sagte im Prozess aber nicht aus und entzog sich damit einem womöglich harten Kreuzverhör.
Erst eine Doku brachte ihn öffentlich in Verruf
Viele Klägerinnen hatten die Frage aufgeworfen, ob ihren Aussagen als schwarze Frauen jemals Gehör geschenkt werden würde. Eine der Frauen erklärte dem Gericht am Mittwoch, dass der Schuldspruch gegen Kelly ihren Glauben an das Justizsystem wiederhergestellt habe. Sie sei ein Opfer Kellys geworden, nachdem sie im Alter von 17 Jahren ein Konzert des Musikers besucht habe, berichtete sie. „Ich hatte Angst, war naiv, und wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte“. Daher habe sie damals stillgehalten. „Schweigen ist ein sehr einsamer Ort.“
Ein früheres Anwaltsteam Kellys hatte die Klägerinnen als dessen Freundinnen und Groupies dargestellt, die nichts gegen ihren Willen hätten tun müssen. Bei Kelly seien sie geblieben, um sich in dessen Ruhm zu sonnen. Seine aktuellen Verteidiger argumentierten indes, dass die Haftstrafe nicht höher als zehn Jahren ausfallen sollte. Sie verwiesen auf eine traumatische Kindheit ihres Mandanten, die von schwerem sexuellen Missbrauch, Armut und Gewalt geprägt gewesen sei. „Er ist ein Mensch. Er fühlt, was andere Menschen fühlen“, sagte seine Anwältin Jennifer Bonjean. Ihr Mandant sei „am Boden zerstört“ wegen des Urteils und betrübt über das, was er gehört habe.
Der Bundesstaatsanwalt in Brooklyn, Breon Peace, erklärte: „Ich hoffe, dass dieses Urteil ein eigenes Zeugnis davon ablegt, dass es egal ist, wie mächtig, reich oder berühmt euer Peiniger sein mag oder wie klein er euch fühlen lässt – Justiz hört nur die Wahrheit.“
Vorwürfe über unangemessene Beziehungen Kellys kursierten seit Jahrzehnten, doch wurden sie von Medien und Öffentlichkeit lange eher amüsiert zur Kenntnis genommen, angefangen mit Kellys illegaler Heirat mit R&B-Sängerin Aaliyah im Jahr 1994, als sie gerade 15 Jahre alt war. Dennoch feierte er Megaerfolge, etwa mit seinem Hit „I Believe I Can Fly“ von 1996, seine Musikalben und die Eintrittskarten für seine Konzerte verkauften sich weiterhin blendend. Selbst als er 2002 unter dem Vorwurf festgenommen wurde, sich beim Missbrauch einer 14-Jährigen gefilmt zu haben, spielten Kollegen immer noch seine Songs ein. Im Jahr 2008 wurde er in einem Prozess wegen Verbreitung von Kinderpornografie in Chicago von der Jury freigesprochen.
Erst die im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen der #MeToo-Bewegung veröffentlichte Dokumentation „Surviving R. Kelly“ brachte ihn öffentlich in Verruf. Seit 2019 saß Kelly ohne Option einer Freilassung gegen Kaution in Untersuchungshaft. Auf den 55 Jahre alten Ex-Star kommt nun noch ein Prozess in Chicago wegen Verbreitung von Kinderpornografie und Behinderung der Justiz zu, der am 15. August beginnen soll.
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