piwik no script img

NBA-DraftSommerliche Qual der Wahl

Beim Draft der amerikanischen Basketballliga fragen sich beteiligte Manager, wie lange ein spilleriger Alleskönner, Chet Holmgren, durchhalten wird.

Dünn, aber oho: Der 2,13 Meter große Chet Holmgren möchte in der NBA für Furore sorgen Foto: ap

E inmal im Jahr wird Roulette gespielt. Dann steht der Draft an, die NBA-Klubs verteilen die hoffnungsvollsten Talente untereinander. Und wie das so ist mit Hoffnungen, sie können sich erfüllen, aber auch trügen und enttäuscht werden. Im Rückblick bleibt kaum zu verstehen, warum im Jahre 1984 ein gewisser Michael Jordan nur als dritter Spieler seines Jahrgangs ausgewählt wurde. Aber auch heute, im Zeitalter von digitalisierten Leistungsmessungen, immer größer werdenden Scouting-Abteilungen und hochkomplexen Algorhythmen, bleibt der Draft ein Glücksspiel: Auch ein Luka Dončić war vor vier Jahren nur die Nummer drei.

Wenn sich am Donnerstag Vertreter der 30 NBA-Franchises in der Arena der Brooklyn Nets treffen, gehen die Meinungen auseinander, welchen Spieler die Orlando Magic, die das Recht auf den ersten Zugriff haben, aussuchen sollten. Es gibt immerhin drei Spieler, auf die sich nahezu alle einigen können, die die ersten Plätze unter sich ausmachen sollten: Jabari Smith, Paolo Banchero und Chet Holmgren. Smith und Banchero sind beide 19 Jahre alt, beide sind 2,08 Meter groß – und beide sind Flügelspieler, herausragende Athleten, die gut verteidigen können und einen soliden Distanzwurf besitzen. Wer einen der beiden auswählt, ist auf der sicheren Seite. Im schlechtesten Fall sollten sich Smith und Banchero zu soliden Ergänzungsspielern entwickeln – im besten könnten sie zu Stars werden.

Ganz anders Chet Holmgren: Der 20-Jährige aus Minneapolis ist der Joker in diesem Glücksspiel. Schon seine Erscheinung ist außergewöhnlich. Auf 2,13 Körpergröße verteilen sich keine 90 Kilogramm. Seine Arme und Beine sind dünn, sein Körper wirkt zerbrechlich. Es gab Momente in Spielen der Universitäts-Liga, in der Holmgren nur ein Jahr für die Gonzaga Bulldogs gespielt hat, da hatte man Angst, er würde über seine eigenen Füße stolpern – und im nächsten Augenblick dribbelte er elegant übers ganze Feld und versenkte einen Dunk dermaßen kraftvoll, dass die Korbaufhängung wackelte.

Holmgren kann alles: Dreier versenken und Würfe des Gegners blocken, er kann punkten und verteidigen, er kann dribbeln und Rebounds sichern. So einen wie ihn gab es noch nie, ein „Einhorn“ nennen ihn viele Kommentatoren, im vergangenen Jahr wurde er zum besten Spieler der U19-Weltmeisterschaft gewählt. Ein Wunderkind, das noch am ehesten erinnert an den ebenfalls arg dünnen Kevin Durant von den Brooklyn Nets, der auch nur als Nummer zwei in seinem Draft gezogen wurde.

Schmale Hoffnung

Aber, und das ist ein sehr großes Aber: Kann Holmgren das alles, was er kann, auch in der NBA? Und: Wie lange kann er das? Werden ihn die durchtrainierten Modellathleten in der Profiliga einfach hin und her schieben? Und vor allem: Kann dieser spillerige Körperbau eine 82 Spiele lange NBA-Saison und die darauffolgenden, erst richtig körperbetonten Playoff-Spiele überstehen? Sein Vater David, auch über 2,10 Meter groß, auch sehr schmal, war einmal ein hoffnungsvolles Basketbal­ltalent, aber musste den Sport schon im College wegen Knieproblemen aufgeben.

Sein Sohn Chet Holmgren kann also nicht nur alles, er könnte auch alles werden: Jahrhundertspieler oder Riesenreinfall. Eins ist er schon jetzt: Der Alptraum von John Hammond und Jeff Weltman. Der Manager und der Präsident der Magic entscheiden schlussendlich, wen Orlando auswählen wird – und damit über die nähere und mittlere Zukunft des Klubs. Und damit auch über ihre eigenen Karrieren.

Entsprechend unsicher gibt sich Weltman. „Es ist noch nichts entschieden“, sagte er noch am Dienstag, also gerade einmal zwei Tage vor dem Draft. Alle drei Kandidaten wurden ausgiebig begutachtet, Holmgren war mehrere Tage in Orlando zum Probetraining. Man darf davon ausgehen, dass die Verantwortlichen der Magic sehr genau wissen, wen sie nehmen wollen.

Aber vielleicht warten Weltman und Hammond auch nur auf das richtige Angebot eines anderen Klubs, der sich unbedingt die Rechte am einzigartigen Chet Holmgren sichern möchte – und im Gegenzug erfahrene Spieler und ein paar zusätzliche Draftpicks anbietet. Ein Tauschgeschäft, das sich für die Magic auszählen könnte – und vor allem das Risiko minimieren würde, eine falsche Entscheidung bei diesem Roulettespiel zu treffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!