Klimakiller Narkosegas in Krankenhäusern: Schädlich wie sieben Autostunden

Narkosegase schädigen das Klima mehr als reines Kohlendioxid. In Baden-Württemberg werden sie jetzt aus der Abluft von Krankenhäusern gefiltert.

Ein Mann hält in einem Operationssaal einer Person eine Narkosemaske auf den Mund

Da kommt das Klimagas: Ein Anästhesist gibt einer Patientin eine Vollnarkose vor der Operation Foto: Robert Kneschke/Zoonar/picture alliance

Karlsruhe taz | Was Patienten die Schmerzen nehmen soll, ist fürs Klima ex­trem schädlich. Desfluran, Isofluran und Lachgas versetzen den Patienten in Schlaf und werden danach über die Belüftung ungefiltert in die Atmosphäre geblasen – oft über ein dünnes Rohr auf dem Klinikdach. Dabei sind Narkosegase für bis zu 35 Prozent der Emissionen an einem Krankenhaus verantwortlich.

Zu diesen Ergebnissen kommt das Klimaprojekt im Gesundheitswesen „KliK-Green“, das von 2019 bis 2022 Potenziale zum Klimaschutz im Gesundheitswesen identifizieren sollte. Ein zentrales Ergebnis: Bei den Narkosegasen ist das Einsparungspotenzial von Kohlendioxidäquivalenten (CO2) besonders groß.

17 Millionen Narkosen werden im Jahr in Deutschland durchgeführt, viele davon immer noch mit Narkosegasen, die längst nicht immer aufgefangen werden. Denn Narkosegase werden zum größten Teil vom Patienten wieder ausgeatmet, abgesaugt und dann in die Luft abgegeben. So entspricht eine siebenstündige Operation mit dem klimaschädlichsten Narkotikum Desfluran dem CO2-Ausstoß einer siebenstündigen Autofahrt.

Um diese Emissionen künftig zu vermeiden, wurden in Kliniken wie in Heidelberg-Salem oder der Charité Berlin Maßnahmen erprobt, die den Ausstoß minimieren. So sollten Anästhesisten, wo immer es medizinisch möglich ist, auf Narkosegase verzichten und sie durch die sogenannte Minimal-Flow-Narkose reduzieren oder intravenöse oder Spinalanästhesie nutzen.

BUND fordert Filterpflicht

Das Narkosegas Desfluran, das 2.540-mal klimaschädlicher wirkt als CO2, kann heute fast immer ersetzt werden. Entweichendes Gas sollte in Filtern aufgefangen und recycelt werden, empfiehlt KliK. „Wie bei anderem Klinikmüll gilt auch für Narkosegase das Prinzip der primären Vermeidung oder Reduzierung, der Wiederverwendung sowie des Recyclings“, sagt Annegret Dickhoff, Projektleiterin Klimaschutz im Gesundheitswesen. In den praktischen Versuchen konnten damit in den Kliniken große Klimaeffekte erzielt werden.

Das erste Bundesland, das aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen zieht, ist Baden-Württemberg. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat die fünf Unikliniken in Landeshand dazu aufgefordert, Maßnahmen zum Ersatz der klimaschädlichen Narkotika oder zum Filtern und Recyceln zu treffen. „Die Maßnahmen ermöglichen es, sehr kurzfristig und ohne hohe Kosten einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, sagt die Grünen-Politikerin. Filtergeräte sind günstig. Zusammen mit einer separaten Füllstandsanzeige kosten sie knapp 400 Euro. Baden-Württemberg rechnet für die Umrüstung aller der über 200 Kliniken im Land mit Kosten von etwa 500.000 Euro. „Am Geld soll es nicht scheitern“, sagt die Ministerin.

Außerdem will sich Bauer auf Bundesebene dafür stark machen, dass die Erkenntnisse der Studie auch in anderen Bundesländern schnell umgesetzt werden. Ziel soll ein bundesweites Verbot der klimaschädlichen Narkosegase sein, ohne dass Filter zum Einsatz kommen. In Berlin führt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gerade mit Robert Habecks Klimaschutzministerium Gespräche, wie die Kliniken bundesweit Narkose-Emissionen einsparen können. „Unser Ziel ist, dass Filter und Vermeidung gesetzlich vorgeschrieben werden“, sagt Annegret Dickhoff vom BUND Berlin. Im ersten Schritt könnte der Filtereinbau zunächst finanziell gefördert und später die Filter in Krankenhäusern mit Operationssaal zur Pflicht werden.

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