Kommentar von Susanne Schwarz zum neuen EU-Energiepaket
: Mit Wind und Sonne gegen Putin

Das Klima ist der Vater aller Dinge. Ging so nicht die jahrtausendealte Weisheit, die vom griechischen Philosophen Heraklit überliefert ist? Mittlerweile ist bekannt, dass das Klima und seine (damals natürlichen) Änderungen durch die Menschheitsgeschichte hinweg schon zu Aufstieg und Fall von Supermächten beigetragen haben. Es schafft Bedingungen für Ernten oder für Aufstände. Da ist es so symbolträchtig wie einleuchtend, dass die EU-Kommission ein umfassendes Energiewende-Paket genau an dem Tag vorstellt, an dem die Weltwetterorganisation gleich vier neue Klimakrisenrekorde meldet: beim Meeresspiegelanstieg, beim Wärmeinhalt der Ozeane, bei der Versauerung der Meere und bei der Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre. Oder?

Es ist aber nicht das Klima, das Heraklit für den Vater aller Dinge hielt. Es ist der Krieg. Und so spricht aus jeder Zeile der Kommissionsdokumente heraus: Die erhöhten Zielmarken für die Nutzung erneuerbarer Energien, für das Energiesparen, für Öko-Investitionsmittel – all das gibt es, um Russlands Angriffskrieg gegen die Ukrai­ne etwas entgegenzusetzen. Die Angst davor, dass russisches Gas ausbleiben könnte, ist groß. Natürlich hätte es schon vorher einen Anlass für diese Schritte gegeben, die Bewahrung einer lebenswerten Erde, aber das macht die Ziele ja nicht falsch. Es ist ein im Großen und Ganzen überzeugendes Paket, das die EU-Kommission vorgelegt hat.

Es hat jedoch auch seine Tücken. Zum Beispiel bei der Finanzierung: Eine Idee ist es, den Europäi­schen Emissionshandel wieder mit mehr Zertifikaten auszustatten, deren Verkauf ja Einnahmen generiert. Aber: Der Kauf eines Zertifikats erlaubt den Ausstoß einer Tonne CO2 – genau das, was der Emissionshandel durch fortschreitende Verknappung der Zertifikate eigentlich verhindern soll. Das wieder umzudrehen würde die sonstigen Ideen im neuen Paket konterkarieren.

Was von alldem im europäischen Gesetzgebungsprozess von EU-Parlament und vor allem Mitgliedstaaten übrigbleibt, wird sich ohnehin erst noch zeigen. Wäre mit Deutschland zum Beispiel so etwas zu machen, wie es der luxemburgische Energieminister Claude Turmes mit Blick auf die Energiesparziele vorschlägt – EU-weites Tempolimit, autofreie Wochenenden, zwei Tage Homeoffice die Woche?

Bisher scheitern solche Vorhaben hierzulande vor allem daran, dass auch die FDP Heraklits Ausspruch nicht mehr richtig in Erinnerung hat. Dass die bornierte Verteidigung sämtlicher Bequemlichkeiten wider besseres Wissen der Vater aller Dinge sei, hat der Philosoph bestimmt nicht gesagt.