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Frankfurts Triumph in der Europa LeagueTaumel am Main

Können es auch Mittelständler aus der Bundesliga ganz an die Spitze schaffen? Aber ja, wie der Erfolg von Eintracht Frankfurt in der Europa League zeigt.

Moment des Glücks: Santos Borré feiert den Sieg gegen die Glasgow Rangers Foto: Isabel Infantes/dpa

Frankfurt taz | Dragan Kandić ist mehr als nur der gute Geist vom Lichtluftbad im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Als Platzwart und Wirt, Multitalent und Seelsorger hält das Unikum seit vielen Jahren Menschen zusammen. Aber dass der gebürtige Serbe gegen Mitternacht plötzlich Freudensprünge, gefühlt bis zum Himmel, vollführt, hat der Tennisverein hoch über den Dächern der Mainmetropole auch noch nicht erlebt. Vor den Fernsehern auf der Terrasse spielte sich in dieser magischen Nacht nur ab, was überall geschah: Die Leute lagen sich in den Armen, die meisten schrien einfach ihre Freude hinaus, nicht wenige weinten aber auch vor Glück.

Der Europa-League-Triumph von Eintracht Frankfurt mit 5:4 im Elfmeterschießen gegen die Glasgow Rangers versetzte auch seine Protagonisten in Sevilla in den Ausnahmezustand. „Ich feiere jetzt bis Samstag durch – und am Sonntag gehe ich den Urlaub“, kündigte Trainer Oliver Glasner an. Der Österreicher hatte sich vor der Siegerehrung auf einen Diver durch das Spalier seiner freudetrunkenen Spieler begeben, die das für dieses große Ereignis eigentlich zu kleine Estadio Ramón Sánchez Pizjuán gar nicht verlassen wollten.

Wie das Ensemble nach dem Rückstand durch Rangers-Angreifer Joe Aribo (57.) in Person von Rafael Borré zurückkam (69.) und sich letztlich dank einer Elfmeterparade von Kevin Trapp gegen den Waliser Aaron Ramsey belohnte, sorgte für eine Explosion der Gefühle. Es dauerte nicht lange, da starteten in Frankfurt die ersten Autokorsos mit wilden Hupkonzerten und enthemmt feiernden Fans. Überall die schwarz-weißen Eintracht-Fahnen. Am Donnerstag füllte sich die Innenstadt früh mit den Menschenmassen: Die gigantische Sause auf dem Römerberg stellte selbst die rauschende Feier zu Pfingsten 2018 nach dem DFB-Pokalsieg in den Schatten.

Liedgut von Schulkindern

Die Begeisterung für die launische Diva vom Main ist sprunghaft gewachsen, weil die Vereinsführung in jüngerer Vergangenheit viel richtig gemacht hat. Es kann kaum eine größere Anerkennung geben, als dass Schulkinder die gängigen Eintracht-Hymnen, von „Schwarz-weiß wie Schnee“ bis hin zu „Im Herzen von Europa“, in- und auswendig kennen. Niemand käme als Heranwachsender in Frankfurt gerade auf die Idee, Anhänger des FC Bayern oder von Borussia Dortmund zu werden – die Eintracht bietet alles, was ein Fußballfan egal welchen Alters, welcher Nationalität, welchen Geschlechts, welcher Religion sich wünscht.

Es wird dauern, bis einem die Tragweite bewusst wird

Sebastian Rode, Eintracht Frankfurt

Der Verein, der kürzlich stolz sein 100.000 Mitglied begrüßte, strahlt seit geraumer Zeit wie ein Fixstern. Karl-Heinz Körbel, der mit 67 Jahren noch quietschfidele Markenbotschafter, Rekordspieler und Leiter der Eintracht-Fußballschule, verweist zu Recht darauf, dass der besondere Spirit „nicht von heute auf morgen geboren, sondern in den letzten Jahren gewachsen ist“. Die Eintracht hätte nie eine Finanzspritze eines sprunghaften Investors wie Lars Windhorst bei Hertha BSC angenommen – solche Erfahrungen hat Frankfurt hinter sich. Mit der krönenden Traumreise durch Europa ist ein Lehrstück aufgeführt, dass Klubs aus dem gehobenen Mittelstand mit Bordmitteln noch „Grenzen verschieben können“, wie Vorstand Axel Hellmann zuvor gesagt hatte.

Er ist hinter den Kulissen einer der Baumeister dieser Erfolgsgeschichte. Der Jurist war treibende Kraft, den Klub nach dem soliden Mittelmaß der Bruchhagen-Ära mit mehr Fantasie und Risiko auszustatten. Hellmann verweist zu Recht darauf, dass es sich mit dem Cup-Gewinn 42 Jahre nach dem Triumph im alten Uefa-Pokal eben nicht um ein Zufallsprodukt handelt. „Wir waren in den vergangenen sechs Jahren fünf Mal in einem Halbfinale des DFB-Pokals oder der Europa League.“

Doch letztlich geht nichts über einen Titel. „Es wird ein paar Jahre dauern, bis einem die Tragweite bewusst wird“, mutmaßte Mittelfeldkämpfer Sebastian Rode. Der wegen einer klaffende Platzwunde am Kopf früh mit einem Turban versehene Kapitän fährt an Sonntagen mit der Familie gern an den Goetheturm, um den Ausblick auf die Skyline zu genießen – nun sind nach dem mit Blut, Schweiß und Tränen getränkten Europapokalsieg die Perspektiven seines Arbeitgebers ähnlich prächtig. Die Adlerträger kommen ins Geschichtsbuch des deutschen Fußballs, ein Vierteljahrhundert nach dem Uefa-Pokal-Coup des FC Schalke 04.

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4 Kommentare

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  • Ja, völlig verrückt geworden!



    Es ist nur ein Spiel. Ihr benehmt euch, als gehe es um Leben oder Tod.

    • @cuba libre:

      Für die einen isses Herzblut und Lebensfreude pur. Für andere nur ein weiterer Grund sich aufzuregen.

      • @Deep South:

        ..oder abzukotzen.

    • @cuba libre:

      Ungläubiger Ketzer.

      Ich erlaube mir, das Zitat des legendären Liverpool-Trainers Bill Shankly entgegenzuhalten:



      „Es gibt Leute, die denken, Fußball sei eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist.“